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Nie mehr Nacht (German Edition)

Nie mehr Nacht (German Edition)

Titel: Nie mehr Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirko Bonné
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mit solchen Churchill-Sturmpanzern die britische Infanterie über den Ärmelkanal gekommen und zwischen Arromanches und Longues bei Gold Beach gelandet war.
    »Kannst du dir vorstellen«, fragte ich, um ihn abzulenken, »dass draußen vor der Küste noch immer dutzende dieser Panzer auf dem Meeresgrund liegen? Es war ziemlich hoher Seegang am Tag der Landung, und von überall am Strand schossen die Deutschen mit ihren Mörsern auf alles, was sich bewegte.«
    Er antwortete nicht. Was ich erzählte, schien ihn nicht zu interessieren. Als ich wieder zu ihm hinübersah, hatte Jesse sein Handy in der Hand, hielt es sich diesmal aber ans Ohr und wartete. Sicher rief er Niels an, um ihm zu sagen, dass wir bald schon am Hotel sein würden.
    »Hey, Alter, bin gleich da«, sagte er dann tatsächlich; ruhig, gedämpft, fast bedrückt klang er. »Nein. Sind durchgefahren und gleich da, zehn Minuten vielleicht.«
    »Frag ihn, ob es ein Tor gibt«, sagte ich.
    Und Jesse fragte. »Kommen wir da rein?«
    Schon war das Gespräch beendet. Knapp, effizient, dabei nicht unherzlich – so machte man das. Das Smartphone wanderte zurück in die Hosentasche.
    »Film ist gelöscht«, sagte er.
    Wirklich erstaunt von dieser generösen Geste war ich nicht. In Kürze hatte er wieder seinen um einiges lustigeren Freund an der Seite, mein derber Slapstick war da nicht länger vonnöten. Irritierend fand ich bloß seinen rapiden Stimmungsabfall. Frag ihn nach den Gründen, sagte ich mir, sei nicht so verstockt, los!
    »Danke. Das ist gut. Nett von dir«, sagte ich stattdessen.
    Als er nach einer Weile erneut in tiefes Schweigen versunken war, fragte ich ihn, was Niels gesagt hatte.
    Gab es ein Tor, konnten wir aufs Gelände fahren?
    Inzwischen war es nach zehn.
    Keine Antwort.
    Stumm wie die Dunkelheit. Die Nacht war schwarz, von darin herumsuchenden Scheinwerfern nur strichweise erhellt. Man sah überall halb kahle Sträucher, Hecken, Knicks, immer wieder hypertrophische alte Bäume, Pappeln und Kastanien, in die der unermüdliche Wind fuhr und deren Kronen die Allee überwölbten, während ihre Wurzeln salziges Wasser aus dem Boden zogen. Man sah letzte weite Felder, abgeerntete Stoppeln, Hafer vielleicht oder Roggen, dann wieder Lupinen, Lupinenfelder bis zur Steilküste, wo das Land endlich abbrach.
    »Na, wir werden’s ja gleich erleben«, sagte ich hilflos und erschöpft und suchte mein Heil nicht länger in Seitenblicken. Pünktlich zum Auftakt eines fröhlichen Chansons der offenbar sehr jungen Sängerin Babet schaltete ich das Radio ein.
    »Je pense à nous«, sang sie.
    Das verstand sogar ich.
    »Sonst schlafen wir halt im Auto. Oder Niels zeigt uns einen Durchschlupf«, sagte ich. »Ob es eine Mauer gibt, was meinst du?«
    »Die in so einem Panzer, ich meine einem, der so kurz vor der Küste getroffen wurde und unterging, die Soldaten dadrin«, sagte Jesse und blickte dabei in die Dunkelheit voller Bäume und Felder vor seinem Fenster, »meinst du, die haben Musik gehört?«
    Könne ich mir nicht vorstellen, gab ich zurück, weil es ja damals, 1944, noch keine tragbaren Radios gab. Und falls doch, dann waren es riesige Röhrenkästen, für die in so einem Panzer der Invasionstruppen kein Platz war. »Außerdem hatten die sicher anderes im Kopf«, sagte ich. »Aber wer weiß.«
    Und Jesse sagte: »Klar. War bloß so ’ne Idee.«
    Er habe sich das einfach mal vorgestellt: So ein Landungsschiff mit lauter Soldaten und Panzern an Bord wurde getroffen und sank. Die Soldaten hatten keine Chance rauszukommen. Sie saßen fest, und ihr Panzer, der ging unter wie eine Gehwegplatte in einem Ententeich. Oder?
    »Ja. So ungefähr.«
    »Von Enten steht ja auch was in dem Buch, das Opa dir geliehen hat. Der Flieger, dieser Lastenseglerflieger, der unseren Nachnamen hat, obwohl er ja Engländer ist und man den Namen da anders ausspricht, der schreibt in dem Buch, dass sein Horsa-Segler auf die Erde fiel wie eine abgeknallte Ente.«
    »Ah ja? Wann hast du das gelesen?«
    »Vorhin. Bei unserer Rast. Als du spazieren warst. Bevor ich dich gefilmt habe. Ich mag das Buch. Es ist lustig. Na ja, immer wieder mal lustig. Er schreibt, dass sie richtig runterklatschten, er und die Soldaten in dem Segler, aber dass sie Glück hatten, weil sie auf einem arschnackten Hügel landeten. Aber ein anderer Segler stürzte in einen kleinen See, und dabei ertrank der Pilot, ein Freund von diesem McCoy Lee.«
    »Wenn du Lust hast, können wir uns den Hügel ansehen«,

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