Niewinter 01 - Gauntlgrym
geschworen, Lolth zu rächen und Euch umzubringen.«
»Dazu hattet Ihr Gelegenheit genug.«
Jarlaxle fuhr fort, als hätte er Drizzts Worte gar nicht gehört. »Aber wenn sie nicht dabei waren, wurde der Name Drizzt Do’Urden mit Eifersucht, ja Ehrfurcht ausgesprochen. Ihr versteht es nicht, oder? Ihr habt keine Ahnung, was Ihr für so viele von uns in Menzoberranzan verändert habt.«
»Wie auch? Warum?«
»Weil Ihr derjenige seid, der entronnen ist!«
»Ihr seid hier bei mir«, erwiderte Drizzt. »Seid Ihr der Stadt der Spinnen durch etwas anderes verbunden als durch die eigenen Pläne? Durch Bregan D’aerthe?«
»Ich spreche nicht von der Stadt, Dickschädel«, sagte Jarlaxle. Er wurde leiser.
Wieder sah ihn Drizzt verständnislos an.
»Das Erbe«, erklärte Jarlaxle. Seine Stimme wurde noch leiser, weil die anderen nahten. »Das Schicksal.«
22
Parallelwege
Die Halle wurde von drei Reihen dicker Säulen getragen, die in gleichmäßigem Abstand zueinander standen. Jede einzelne war ein wahres Kunstwerk, an dem Hunderte zwergischer Handwerker mitgewirkt haben mussten. Jede Säule war hingebungsvoll bearbeitet und mit individuellen Ornamenten überzogen. Nicht einmal der Staub der Jahrhunderte, der sich hier abgelagert hatte, konnte die Erhabenheit beeinträchtigen, die dieser Ort ausstrahlte. Während die fünf Gefährten hindurchliefen, konnten besonders Bruenor und Athrogate sich lebhaft die Versammlungen vorstellen, die einst hier stattgefunden hatten. Das Erwachen des Urelementar hatte beträchtliche Schäden angerichtet, aber dennoch war noch viel von dem Glanz des alten Gauntlgrym erhalten. Sie waren durch Dutzende von Räumen gekommen, hatten zahlreiche Treppen und Gänge hinter sich, von denen Türen in Herrenhäuser und Keller, Werkstätten und Küchen, Speisesäle und Übungsräume führten. Vor der Befreiung des Urelementar war Gauntlgrym größer als Mithril-Halle, die Zitadelle Adbar und die Zitadelle Felbarr zusammen gewesen – die glorreiche Heimat des Delzoun-Clans.
»Ich habe mich verzählt«, erklärte Bruenor, als sie den großen Saal zur Hälfte durchmessen hatten. Mit den Händen in den Hüften starrte er das Schild auf der nächsten Säule an und schüttelte den Kopf.
»Dreiundzwanzig«, sagte Drizzt. Aller Augen wandten sich ihm zu. »Das ist das dreiundzwanzigste Schild in dieser Halle.«
Er war seiner Sache ganz sicher, und man konnte sich auf Drizzt verlassen. Dennoch drehten sich alle um, weil sie staunten, dass sie schon an so vielen Säulen vorbeigelaufen sein sollten. Es war wirklich eine riesige Halle, deren Decke oben in den Schatten verschwand.
Bruenor schüttelte den Kopf, sah nach links und rechts, drehte sich wieder um und zeigte auf die mittlere Säule vor ihnen. »Mittleres Schild, zwei Dutzend davor«, sprach er und ging entschlossen darauf zu. Seine Zuversicht beruhte auf dem, was der Thron ihm verraten hatte, und auf Drizzts Zählweise. Er griff nach dem Schild, zog es problemlos auf und enthüllte das Fach dahinter, das sich von den vorherigen sechs darin unterschied, dass es kürzer und höher zugleich war. Bruenor steckte den Kopf hinein und blickte nach oben, wo er ganz am Ende, vermutlich an der Spitze der Säule, einen bekannten grünen Schimmer entdeckte.
»Ranke«, teilte er den anderen triumphierend mit.
Er stellte die Schale hinein, die siebte von zehn, und Jarlaxle reichte ihm die Phiole. Bruenor leerte das magische Wasser in die Schale, sagte dazu seinen Spruch und sah zu, wie der Elementar Gestalt annahm.
Fast augenblicklich schnappte die Magie der Ranke danach.
»Hier gibt es keine anderen mehr«, sagte Bruenor, als er die Tür wieder schloss. »Die nächste Stelle ist im Süden.«
»Na, dann los«, sagte Dahlia und wollte an ihm vorbei, aber Bruenor hielt sie auf.
»Süden«, wiederholte er. »Das ist links.«
Dahlia zuckte ergeben mit den Schultern. Die Zwerge und Jarlaxle liefen zu einer Seitentür. Drizzt blieb mit Dahlia zurück.
»Woher weiß er das?«, fragte Dahlia.
»Das hat irgendwas mit dem Thron zu tun«, erwiderte Drizzt.
»Nicht die Anlage«, stellte Dahlia richtig. »Woher weiß er, wo hier Norden und Süden ist? Wieso wisst ihr das?«
Drizzt lächelte sie an. Er hätte ihr gern geantwortet, wenn er die Antwort gekannt hätte. Bewohner des Unterreichs wussten so etwas einfach. Es war ihnen angeboren.
»Vielleicht ist es der Einfluss der Himmelskörper«, meinte er. »Wenn Sonne und Mond über den Himmel ziehen,
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