Niewinter 01 - Gauntlgrym
haarsträubenden Grillen des Schlachtenwüters peinlich gewesen waren.
Denn letzten Endes zählte ganz etwas anderes, wie Bruenor nun klar wurde. Was zählte, war das Herz von Thibbledorf Pwent, ein treues, mutiges Herz. Dieser Zwerg würde sich, ohne zu zögern, einem Speer in den Weg werfen, der auf einen Freund zielte – auf jeden Freund, nicht nur auf seinen König. Dieser Zwerg, das erkannte Bruenor erst jetzt, hatte wahrhaft begriffen, was es hieß, ein Zwerg zu sein und der Sippe Heldenhammer anzugehören.
Am nächsten Morgen nahm König Bruenor seinen Freund noch einmal fest in die Arme, und seine Augen waren feucht, als er mit Drizzt die Hallen von Stokkel Silberbach verließ. Pwent blieb am Ausgang stehen, sah ihnen nach und murmelte noch immer »Mein König« in sich hinein, als er sie schon lange nicht mehr sehen konnte.
»Ein großartiger Zwerg, unser König Bruenor, nicht wahr?«, sagte Stokkel Silberbach, der schließlich zu Pwent trat.
Der Schlachtenwüter sah ihn verwirrt an. Dann weiteten sich seine Augen vor Schreck, weil er fürchtete, er hätte mit seinem törichten Gemurmel gerade Bruenors Identität preisgegeben.
»Ich wusste es vom Moment eurer Ankunft an«, versicherte ihm Stokkel. »Mit Drizzt an seiner Seite – wer anders als Bruenor sollte das schon sein?«
»Bruenor starb vor vielen Jahren«, entgegnete Pwent.
»Ja, und lang lebe König Connerad!«, sagte Stokkel. Er nickte und lächelte. »Es braucht auch sonst niemand zu erfahren. Aber sei gewiss, mein neuer Freund, dass es mein Herz erfreut, wenn ich weiß, dass er noch immer da draußen ist und für die Heldenhammers kämpft. Ich hoffe nur, dass wir ihn noch einmal wiedersehen und er am Ende seiner Tage ins Eiswindtal zurückkehrt.«
Dabei legte Stokkel Pwent eine Hand auf die Schulter, die jetzt vor Schluchzen bebte.
3
Graustufen
Als Erzgo Alegni an dem Spiegel vorbeiging, knurrte er unwillkürlich. Seine Haut war früher so schön rot gewesen, ein leuchtendes Zeugnis seiner teuflischen Abstammung, aber das dumpfe Grau der Shadovar hatte sich wie ein Schleier darübergelegt. Nur seine Augen hatten dieser Veränderung getrotzt, stellte er zufrieden fest. Ihr roter Höllenglanz glühte wie eh und je.
Dennoch akzeptierte Alegni den Handel. Die fahlere Haut war ein geringer Preis für die längere Lebensspanne und viele andere Vorteile, die ein Leben unter den Shadovar zu bieten hatte. Obwohl sie ähnliche Vorurteile gegenüber Andersartigen hegten wie so viele der übrigen engstirnigen Völker auf Faerûn, hatte er in den Reihen seines Wahlvolks seinen Weg gefunden. In nicht einmal zehn Jahren war Erzgo Alegni zum Scharführer aufgestiegen, und keine zehn Jahre später hatte man ihm die verantwortungsvolle Aufgabe übertragen, die Nesser-Expedition in den Niewinterwald anzuführen, welche die gefallene Enklave Xinlenal suchen sollte.
Er verweilte noch vor dem Spiegel, um seinen neuen schwarzen Umhang zu bewundern, dessen seidig schimmernder Stoff sich so gut von dem hinreißenden Rot der steifen Krageninnenseite abhob. Sie passte zur Klinge seines großen Schwerts und insbesondere zu den langen, tiefroten Haaren, die seine widderähnlichen Hörner umströmten. Der hohe Kragen teilte seine Haare so, dass sie ihm weitgehend nicht auf den Rücken hingen, sondern am Hals entlang über die muskulöse Brust flossen. Die Lederweste ließ er natürlich teilweise offen, um seine imposanten Muskeln vorzuzeigen.
Der Krieger wusste, was Äußerlichkeiten zählten, und Erzgo Alegni hatte ohnehin keine Scheu vor dem Spiegel. Er war der Anführer – ein einschüchterndes Auftreten kam ihm zugute, besonders wenn er sich mit Barrabas dem Grauen traf. Diesem Mann traute Alegni nicht über den Weg. Er war der erste von all seinen Untergebenen, der eines Tages versuchen würde, ihn umzubringen, und das nicht ohne Grund.
Zudem war Barrabas in der Kunst des Mordens sehr beschlagen.
Die harten Absätze seiner hohen schwarzen Lederstiefel klackten laut auf dem Kopfsteinpflaster, als Erzgo Alegni an diesem Morgen zielstrebig und mit langen Schritten sein Haus verließ. Er versuchte gar nicht erst, seine Zugehörigkeit zu Nesseril zu verbergen. In Niewinter war das nicht mehr erforderlich, denn Alegnis Expedition war schon jetzt so erfolgreich, dass es niemand wagen würde, sich gegen die Schatten zu wenden.
Der Glücksdrache war das neueste Gebäude in Niewinter, ein Gasthof auf dem Berg oberhalb der Stadt und der donnernden Brandung der
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