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Nigger Heaven - Roman

Nigger Heaven - Roman

Titel: Nigger Heaven - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walde + Graf Verlag
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sechs Uhr gestellt. Als dann das wütende Klingeln an sein Ohr drang, drehte er sich um, gähnte und streckte die Arme aus. Dann versuchte er zu dösen, aber das schreckliche Bimmeln hörte nicht auf. Es fiel ihm ein, dass er weiter unten in Manhattan eine Arbeit angenommen hatte und dort um halb acht erwartet wurde, und so zwang er sich, aus dem Bett zu kommen. Es war noch ganz dunkel im Zimmer, und auf dem Weg zum Gasbrenner stolperte er über einen Stapel Bücher, den er auf den Boden gelegt hatte. Nachdem er das Gas angezündet hatte, wusch er sich flüchtig. Das kalte Wasser auf seiner Haut belebte ihn aber genügend, so dass er sich schnell anziehen konnte. Er hatte Mrs Fox gebeten, die Kaffeekanne auf den Ofen zu stellen, und bald machte er sich eine dampfende Tasse Kaffee, die, zusammen mit einigen Butterbroten, sein Frühstück darstellte. Zu seinem Erstaunen stellte er fest, dass er nicht niedergeschlagen war. Im Gegenteil, er fühlte sich ganz angeregt. Er war jung und gesund und betrachtete die bevorstehende Arbeit als ein Abenteuer.
    Als er um sieben aus dem Haus trat, wurde es bereits heller, obwohl der Himmel mit Wolken bedeckt war. Ab und zu fühlte er einen Regentropfen auf seinem Gesicht. Als er schnell zur nächsten Hochbahnstation eilte, befand er sich plötzlich in einem scheinbar endlosen Strom sich bewegender Menschen. Aus allen Seitenstraßen der Avenuen schritten sie heran: schwarze Arbeiter und Arbeiterinnen, die für etliche Stunden ihre schwarze Trutzburg verließen, um in einer fremden Welt zu arbeiten. Manche waren alt und gebeugt und kamen nur langsam und mühselig voran. Andere waren jung und kräftig und plauderten, während sie davoneilten. Ihm kam der Gedanke an eine symbolische Prozession, die Prozession eines unterdrückten Volkes. So waren die Juden in die Wüste gezogen, um den Pharaonen ihre Pyramiden zu bauen. So schleppten sich unter der Knute des Zaren politische Gefangene nach Sibirien. Byron fiel allerdings schnell auf, dass in den Augen all dieser Menschen ein Ausdruck der Hoffnung lag. Sie taten das, was sie bis zur Zeitenwende zu tun hatten, bis zu dem Tag, an dem die schwarze Rasse sich auf Augenhöhe mit der weißen befände. Er würde kommen, sie alle fühlten das, obwohl die Alten und Gebrechlichen fürchteten, dass sie ihn nicht mehr erleben würden.
    Dere´s fire in duh East;
Dere´s fire in duh West;
Oh, send dem angels down!
    [Feuer ist im Osten; / Feuer ist im Westen; / Oh, schicke die Engel vom Himmel!]
    Es lag aber mehr als Hoffnung in diesen Augen: Byron bemerkte allgemein eine heitere Unbekümmertheit, die leichtsinnige, unbekümmerte Art dieser Dienstmädchen, Packer und Laufburschen. Sie hatten ein eigenes Leben und waren unabhängig. Das konnte ihnen noch so viel Mühsal nicht rauben. Er war sich sicher, dass sie insgesamt glücklicher waren, als es die weißen Dienstmädchen je sein könnten, die von früh bis spät, bis sie ins Bett fielen, zur Plackerei verdammt waren. Jeden Abend kehrten die Schwestern seiner Rasse zu ihren Familien oder zu ihren Freunden zurück; sie weigerten sich, bei ihren Herrschaften zu wohnen. Tagsüber mochte die weiße Welt alles tun, um sie jeder Freude zu berauben, aber sie konnten immer auf den Abend hoffen.
    Byron kam an einem Nachtlokal vorbei, das gerade schloss. Aus dem schläfrig gähnenden Schlund der Kaschemme kamen junge Männer und Frauen, die die ganze Nacht getanzt hatten.
    Auch sie schlossen sich der Prozession an. Sie hatten nicht geschlafen. Nach einer fröhlichen Nacht kehrten sie jetzt auf ihre Plätze in diesem seltsamen Spiel, das die weiße Welt unbedingt spielen wollte, zurück und gingen irgendeiner mühseligen Arbeit nach.
    Eigentlich sollten wir alle singen, dachte Byron und fragte sich, was das passende Lied wäre. Onward, Christian Soldiers? Er lächelte und verwarf Sullivans Hymne. Etwas Eigenes vielleicht: Walk together, children! Nur, sagte er zu sich selbst, gehen wir so selten zusammen im Geiste voran.
    Byron kannte die Südstaaten nicht und hatte deshalb noch nie einen Jim-Crow-Car, einen für Schwarze bestimmten Wagen gesehen, aber der Wagen, in dem er jetzt stand, musste dem sehr ähnlich sein, dachte er. Die Prozession hatte sich in ihn wie in alle anderen Wagen hineingedrängt, obwohl alle Sitze schon von schwarzen Arbeitern besetzt waren, die an den vorhergehenden Stationen eingestiegen waren. Es gab zwar ein paar weiße Gesichter, Gesichter von Männern und Frauen, die aus den

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