Night Academy 2
Sitz fiel. Durch dieses Manöver musste ich Esther wenigstens nicht ansehen. Denn ich wollte mir nicht ausmalen, wie sie diesen Tag verbringen würde.
»Vielleicht kaufe ich ihm Schokolade«, sagte ich zögerlich.
Esther blieb der Mund offen stehen. »Soll das ein Witz sein?«
Ich sank zurück auf den Sitz. Natürlich hatte ich auch schon mal kurz an den Valentinstag gedacht. Man kam nicht umhin, wo doch bei uns im Supermarkt in jeder Ecke rosa Zuckerherzen und Hühner aus gelben Marshmellows ausgestellt waren. Allerdings hatte ich den Gedanken auch ganz schnell wieder verdrängt. Denn ich wollte später nicht enttäuscht sein, weil Cam dieses oder jenes nicht getan hatte.
»Was hast du denn gegen Schokolade? Cam ist ganz versessen darauf.«
»Ist doch langweilig«, sagte Hennie und lehnte sich zu Esther hinüber. »Schokolade kann doch jeder kaufen. Du musst dir etwas ganz Besonderes einfallen lassen, um zu zeigen, wie gut du ihn kennst.«
»Na toll. Baut bloß keinen Druck auf! Was hast du dir denn für Yashir überlegt, du Klugscheißerin?«
»Ich habe ihm einen neuen Nasenring gekauft«, sagte sie träumerisch.
»Ach«, schnaubte ich. »Ein Ohrring, den man in der Nase trägt, wie romantisch!«
Esther lachte los, wurde aber sogleich wieder ernst und hob mahnend den Finger. »Damit bist du aber noch nicht aus dem Schneider. Du musst dir etwas Gutes einfallen lassen. Wollt ihr was zusammen unternehmen?«
Ich seufzte. »Anna feiert eine Party. Cam und ich haben gerade heute Morgen darüber gesprochen. Er leiht sich einen Wagen, um mit mir zusammen dorthin zu fahren.«
Esther riss überrascht die Augen auf. »Genial. Meinst du, deine Oma spielt da mit?«
»Ich glaube schon«, sagte ich. Seltsamerweise hielt Oma mich dauernd dazu an, mehr Zeit mit meinen Freunden zu verbringen. Wahrscheinlich steckte ihr immer noch in den Knochen, dass ich so lange keine Freunde gehabt hatte. Von Cam und mir hatte ich ihr nichts erzählt, aber sie wusste es trotzdem. Letzte Woche hatte sie mich listig angelächelt und angeboten, uns mal ins Kino zu fahren. Peinlich, aber auch süß.
»Du wirkst irgendwie nicht glücklich?«, sagte Hennie. »Was ist denn?«
Ich schlug die Beine übereinander und zog meine Jogginghose etwas hoch, um meine Schienbeine zu begutachten. Lila Flecken markierten die Stellen, wo ich letzte Woche beim Spiel getreten worden war. Die Tritte von heute waren bislang nur geschwollen und würden erst nach ein paar Tagen grün und blau werden. Selbst mit Schienbeinschonern war ich nach jedem Spiel vollkommen zerschunden. »Es findet bei Anna zu Hause statt.«
»Na und?«, sagte Esther.
»Anna lässt sich bestimmt etwas einfallen, um es mir zu vermiesen. Sie kann mich nicht leiden. Das wird immer deutlicher.«
Na gut, das war jetzt vielleicht etwas übertrieben. Seit den Weihnachtsferien hatte sie sich eigentlich ziemlich zurückgehalten, abgesehen von ein paar Vorfällen auf dem Fußballfeld hatte sie mich eigentlich in Ruhe gelassen. Doch ich brauchte bloß an unsere Unterredung im Treppenhaus denken, und schon stand mir ihr Hass klar vor Augen.
»Natürlich kann sie dich nicht ausstehen«, sagte Esther. »Du bist mit ihrem Exfreund zusammen, der dich mit großen braunen Kuhaugen anhimmelt. Du bist eine Legende auf der Night Academy. Das Mädchen, das Cameron Sanders das Herz gestohlen hat.«
Ich lächelte. »Schön wär’s! Jetzt mal im Ernst, Anna wird bestimmt das ganze Haus präparieren. Ich geh ins Badezimmer, und schon schüttet sich ein Eimer Wasser über meinem Kopf aus. Ich greif zu den Chips, und Salsasoße landet in meinem Schoß. Ich bin verloren. Genauso gut kann ich zu Hause bleiben!«
»Hör auf damit«, fuhr mich Esther an. »Steigere dich da bloß nicht rein.« Beinahe unmerklich wurde ihr Gesicht länger, und ihre Augenbrauen wölbten sich vor wie bei unserem Mathelehrer Mr Crestine. Früher war er mal bei der Marine gewesen und hatte manchmal noch diesen barschen Ton drauf. »Du gehst gefälligst zur Party und amüsierst dich bestens. Haben wir uns verstanden?«
Ich straffte die Schultern und salutierte. »Jawohl, Mr Crestine. Zu Befehl, Mr Crestine.«
»Und nun zu Fräulein Khanna. Ein Nasenring? Hört sich das etwa romantisch an?«
Hennie ließ den Kopf hängen und zog sorgfältig den Rock über die Knie. Das war nicht nur Show – sie geriet immer in Panik, wenn sie zu viel Haut zeigte. Wahrscheinlich waren ihre Eltern sehr streng. »Ähm, nein.«
»Natürlich nicht«,
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