Nightside 10 - Für eine Handvoll Pfund: Geschichten aus der Nightside Band 10 (German Edition)
streckte die rechte Hand nach vorne, und ein langer, hölzerner Stab erschien wie aus dem Nichts. Ich keuchte zu gleichen Teilen aus Schreck und Erstaunen auf. Das war kein gewöhnlicher Stab: H öchstwahrscheinlich war er aus einem Splitter, den man von dem ursprünglichen Baum des Lebens entnommen hatte, gewachsen. Ich hatte gesehen, wie meine Mutter Lilith ihn dem Dornenfürsten entrissen und ihn mit ihren schrecklichen Händen in Stücke zerbrochen hatte. Jetzt lag er wieder – wahr und ganz, mächtig und stark – in den Händen des Dornenfürsten, wiedererstanden durch dessen puren Willen.
„Ich bin der Stein, der alle Herzen bricht. Ich bin die Nägel, die Christus am Kreuz hielten. Ich bin das unumgängliche Leid, das uns alle stärker macht. Ich erhalte das große Experiment, wache dar über und richte über alle, die es in Gefahr bringen oder sein grundlegendes Wesen verf älschen wollen. Ich bin das Skalpell, das Infektionen herausschneidet und das Brechen des Herzens, das die Männer weiser macht. Ich bin der Dornenfürst, ich bin zurück, und Gott helfe den Schuldigen!“
Seine Stimme hatte die unmenschliche Sicherheit eines Mannes, der von etwas weitaus Größerem berührt worden war.
„Willkommen zurück“, begrüßte ich ihn, während ich vortrat. „Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir zu sagen, was in Gottes Namen hier vor sich geht?“
Er sah mich an, und sein Blick ließ mich wie angewurzelt stehenbleiben, als habe er mit einer kalten Hand gegen meinen Körper geschlagen. Ich schenkte dem Dornenfürsten mein freundlichstes Lächeln und hoffte, dass er sich an mich erinnerte. Vorzugsweise wohlwollend.
„Walker!“ Der Dornenfürst sprach den Namen wie einen Fluch aus. „Das ist seine Schuld! Er hat mich verraten … ich werde ihn und die Autoritäten, die es ihm befohlen haben, ob seines Verbrechens niederstrecken!“
Ich sah Larry an. „Hast du geahnt, dass Walker irgendetwas damit zu tun hat?“
„Heute scheint sein Tag zu sein“, sagte Larry.
„Die Autoritäten sind tot“, wandte ich mich mit aller Freundlichkeit, die ich aufbringen konnte, an den Dornenfürsten. „Liliths Kinder schlachteten und fraßen sie während des Krieges. Es gibt jetzt neue Autoritäten. Gute Leute. Die meisten jedenfalls.“
„Das sollten sie auch besser sein“, sagte der Dornenfürst. Je mehr er sprach, desto menschlicher schien er, seine Präsenz sank auf akzeptablere Stufen zurück. Das machte ihn aber nicht weniger furchterregend. Dieser Mann war dazu eingesetzt, Gerechtigkeit in der Nightside walten zu lassen, und zwar mit der Kraft, die ihn unterstützte, und er sah aus, als sei er in der Stimmung, über verdammt noch mal jeden von uns zu richten.
„Vergeben Sie die Frage“, wagte ich mich vorsichtig weiter vor. „Aber was hat Walker getan? Was hat Sie so verärgert und was hat Sie von dem … ruhigen Mann, den ich letztes Mal traf, zu dem gemacht, was Sie heute sind?“
„Das müsste ich gewesen sein“, sagte Hadleigh Oblivion.
Wir sahen uns alle um, und da stand er im Eingang der Kirche. Mit seinem langen, schwarzen Ledermantel, der so dunkel war, dass er aussah, als sei er aus einem Stück der Nacht selbst, mit seinem knochenweißen Gesicht, seiner langen Mähne pechschwarzen Haares, seinen dunklen, starren Augen und seinem arroganten, vergnügten Lächeln sah er vollkommen schwarzweiß aus. Es gab in seiner Welt keinen Platz für Grau töne.
Der Welt des Geisterdetektivs.
Er schien gänzlich unbeeinflusst von der zürnenden Präsenz des Dornenfürsten oder von der Macht, die noch immer so grell im Inneren der Kirche loderte. Tatsächlich machte Hadleigh den Eindruck, er habe all das schon gesehen und sei auch da nicht beeindruckt gewesen, und vielleicht hatte er das auch: Immerhin war er ein Produkt der Dunklen Akademie. Hadleigh machte den Eindruck, wo auch immer er war, sei genau der Ort, an dem er sein sollte. Er mochte nicht die Macht des Dornenfürsten besitzen, aber es gab keinen Zweifel daran, dass Macht in ihm war.
Er schritt in die Kirche, verbeugte sich leicht vor dem Dornenfürsten, nickte mir zu und lächelte Larry leicht an.
„Hallo, Br ü derchen. Tut mir leid, dass ich es nicht zu deiner Beerdigung geschafft habe.“
„Das haben nicht viele“, entgegnete Larry, während er seinen Bruder unverhohlen anstarrte. „Es endete damit, dass ich selbst Blumen auf mein eigenes Grab legen musste. Natürlich lag da keine Leiche drin, denn die verwende ich noch. Aber
Weitere Kostenlose Bücher