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Nimm dich in acht

Nimm dich in acht

Titel: Nimm dich in acht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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vorstellen, wer diese Person gewesen sein mochte. Warum war ich am Montag nachmittag nicht im Dienst? fragte er sich immer wieder und haderte mit dem Schicksal. Es war sein freier Tag gewesen, und er war mit Joan, seiner Frau, zum Fair-field College in Connecticut gefahren, wo ihre Tochter im ersten Jahr studierte. Tom hatte erst von dem Unfall und Hildas Zeugenaussage erfahren, als er sich an jenem Abend die Elf-Uhr-Nachrichten ansah.

    Hätte ich sie da nur gleich angerufen – dieser Gedanke ging ihm unaufhörlich durch den Kopf. Wenn sie nicht an den Apparat gegangen wäre, dann hätte ich etwas Schlimmes befürchtet, und wenn ich mit ihr geredet hätte, dann hätte ich jetzt die Beschreibung der Person, die nach ihren Angaben Carolyn Wells vor den Transporter gestoßen hat.
    Es war erst Viertel vor eins, doch Tom spürte, wie sich in seinem ganzen Körper Müdigkeit ausbreitete – die Sorte, die durch bittere Selbstvorwürfe entsteht. Er war überzeugt, daß Hildas Tod hätte vermieden werden können, und er war jetzt wieder bei Punkt A angelangt, nicht nur was die Lösung im Fall ihrer Ermordung betraf, sondern auch in dem anderen Fall, bei dem es sich womöglich um einen Mordversuch handelte. Seit siebenundzwanzig Jahren war er Polizist, seit seinem einundzwanzigsten Lebensjahr; und in all der Zeit hatte ihn seines Wissens nichts so sehr deprimiert wie dies hier.
    Sein Telefon läutete und unterbrach seine gedankliche Selbstkasteiung. Es war der diensthabende Sergeant, der ihm mitteilte, eine Dr. Susan Chandler wolle mit ihm über den Unfall von Carolyn Wells an der Park Avenue sprechen.
    In der Hoffnung, daß es sich um eine weitere Augenzeugin des Vorfalls handelte, erwiderte Shea schnell: »Schicken Sie sie rein.« Kurz darauf musterten er und Susan einander mit vorsichtigem Interesse.
    Susan fand den Mann, der ihr gegenüber saß, auf Anhieb sympathisch – sein schmales, klargeschnittenes Gesicht, den wachen, gescheiten Ausdruck in seinen dunkelbraunen Augen, die langen, sensiblen Finger, mit denen er lautlos auf den Schreibtisch klopfte.

    Da sie spürte, daß er zu den Polizeibeamten gehörte, die keine Zeit verschwendeten, kam sie direkt zur Sache.
    »Captain, ich muß um zwei wieder im Büro sein. Sie wissen ja, wie es um den Verkehr in New York bestellt ist; da ich vierzig Minuten gebraucht habe, um von der Ecke Broadway/Forty-first hierherzukommen, fasse ich mich kurz.«
    Sie schilderte ihm rasch, wer sie war, und war flüchtig belustigt, als die leise Mißbilligung, die sich auf Sheas Gesicht abzeichnete, als sie sagte, sie sei Psychologin, sich in einen Ausdruck kollegialer Freundlichkeit verwandelte, als sie dann die zwei Jahre als Assistentin des Staatsanwalts erwähnte.
    »Mein Interesse an Carolyn Wells rührt daher, daß sie am Montag morgen in meiner Radiosendung angerufen hat, um mir eine möglicherweise wertvolle Information in bezug auf Regina Clausen zu geben, eine Frau, die seit mehreren Jahren vermißt wird. Im Laufe dieses Anrufs hat sie versprochen, mich aufzusuchen. Sie hat die Verabredung allerdings nicht eingehalten; später dann wurde sie laut einer Zeugin an der Park Avenue vor einen Transporter gestoßen. Ich muß herausfinden, ob es einen Zusammenhang zwischen ihrem … nennen wir es vorläufig Unfall und dem Anruf bei mir gibt.«
    Shea beugte sich vor. In seinem Gesicht spiegelte sich lebhaftes Interesse. Oliver Baker hatte ausgesagt, daß große Blockbuchstaben auf den braunen Umschlag geschrieben waren, den Carolyn Wells bei sich gehabt hatte, und er sei ziemlich sicher gewesen, in der ersten Zeile der Adresse ein »Dr.« gesehen zu haben. Vielleicht würde Dr. Susan Chandler ihn auf eine Spur bringen, vielleicht sogar auf den Zusammenhang zwischen Hilda Johnsons Behauptung, Carolyn Wells sei gestoßen worden, und Hildas Mörder.

    »Haben Sie einen braunen Umschlag mit der Post erhalten, der von ihr stammen könnte?« fragte Shea.
    »Gestern nicht. Und als ich heute morgen meine Praxis verließ, war die Post noch nicht da. Warum?«
    »Weil sowohl Hilda Johnson als auch ein anderer Zeuge gesehen haben, daß Carolyn Wells einen braunen Umschlag bei sich trug, und der zweite Zeuge glaubt, er sei an einen oder eine Dr. Sowieso adressiert gewesen.
    Haben Sie eine Sendung von ihr erwartet?«
    »Nein, aber vielleicht hatte sie beschlossen, das Foto und den Ring, die sie mir geben wollte, mit der Post zu schicken. Ich möchte Ihnen jetzt ihren Anruf vorspielen.«
    Als sie fertig

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