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Nimm doch einfach mich

Titel: Nimm doch einfach mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecily von Ziegesar
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einem Angst einjagen.
    »Entschuldige bitte«, sagte die Frau und legte jetzt beide Hände auf Babys Schultern. »Ich bin deine Heilerin.« Sie musterte sie aus brackwasserbraunen Augen. Wie eine Heilerin sah sie nicht gerade aus. Mit ihren aufgesprungenen Lippen, den fliegenden grauen Haaren und den geröteten Händen erinnerte sie Baby an eine Freundin ihrer Mutter, die in Vermont auf einer Farm in einer Kommune lebte und biologische Landwirtschaft betrieb. Früher hatten sie und ihre Geschwister dort jedes Jahr bei der Apfelernte mitgeholfen.
    »Mein Name ist Ophelia Ravenfeather, aber da wir miteinander arbeiten werden, ist es mir wichtig, dass du mich erstens duzt und zweitens so nennst, wie du mich gern nennen möchtest«, erklärte Ophelia ihr und stellte sich neben sie, sodass sie nun auf derselben schmalen Stufe standen.
    Baby lächelte unsicher. Das Ganze ließ sich noch seltsamer an, als sie erwartet hatte; andererseits kannte sie sich mit alternativen Heilmethoden nicht aus und konnte nicht beurteilen, was normal war und was nicht. Jedenfalls fand sie es jetzt schon definitiv besser, als in einem ganz in Weiß gehaltenen, sterilen Behandlungszimmer auf einer Couch zu liegen.
    »Ich soll mir einen Namen für Sie … äh dich … überlegen …?«, wiederholte sie nachdenklich. Ein Pärchen mit einem Golden Retriever schlenderte vorbei. Vielleicht hatte sie ja eine verschobene Wahrnehmung, aber in letzter Zeit begegneten ihr ständig irgendwelche Hunde. Ihr Anblick erinnerte sie jedes Mal daran, wie viel Spaß es ihr gemacht hatte, mit J.P.s Hunden spazieren zu gehen. Das war, bevor sie beide ein Paar geworden waren – und sich dann wieder getrennt hatten. Sie seufzte frustriert. Vielleicht sollte sie die Jungs ein für alle Mal aufgeben und sich stattdessen lieber einen Hund zulegen.
    Es gibt da einen sehr pflegeintensiven Maltipoo, der vielleicht schon bald ein neues Zuhause braucht …
    »Also? Wie möchtest du mich gerne nennen? Eine meiner Klientinnen nennt mich Freundin , ein anderer Die große H , die nächste Omi – jeder sieht etwas anderes in mir.« Ophelia lächelte ermutigend.
    »Ähm, ich weiß nicht.« Baby versuchte sich krampfhaft einen Namen auszudenken, der nicht komplett daneben klang. War das Ganze vielleicht so eine Art Psychotest?
    Müsste die Frage nicht eher lauten: Besitzt diese Frau überhaupt eine Zulassung als Therapeutin?
    »Kann ich fürs Erste nicht einfach Ophelia sagen?«, fragte sie schließlich zögernd.
    »Fürs Erste schon. Aber sobald wir uns ein bisschen besser kennengelernt haben, solltest du dir einen eigenen Namen für mich suchen«, sagte Ophelia streng. »Und ich kann deine Aura sehen. Sie ist …« Ein dunkler Schatten schien über ihr runzliges, wettergegerbtes Gesicht zu huschen. Sie schüttelte den Kopf. »Ach, vergessen wir das. Wenigstens funktionieren deine Chakren. Größtenteils jedenfalls«, fügte sie kryptisch hinzu.
    »Äh, danke.« Baby lächelte verhalten und zog dann das zerknitterte Formular heraus, das Mrs McLean ihr mitgegeben hatte. »Mir wurde empfohlen, insgesamt zwanzig Therapiestunden zu nehmen. Ihre … deine Anzeige hat mir gefallen, und ich glaube, dass wir auf einer Wellenlänge sind, aber ich fände es super, wenn du mir vorher ein bisschen erzählen könntest, was wir in deinen Sitzungen machen werden. Und dann müsstest du das hier noch unterschreiben.«
    Ophelia nahm das Formular in die Hand, betrachtete es stirnrunzelnd und gab es Baby wieder zurück. »Darum kümmern wir uns später. Jetzt gehen wir erst einmal in den Park. Es liegt eine Menge Arbeit vor uns«, sagte sie in unheilschwangerem Ton und rannte dann mit einer für eine Frau ihres Alters erstaunlichen Energie die Stufen hinunter. Baby folgte ihr. Was hatte das alles zu bedeuten? Wollte Ophelia das Formular nicht unterschreiben? Und warum gingen sie in den Park?
    Ophelia hetzte die Straße hinunter und scheuchte Baby über einen befestigten Fahrradweg, bis sie schließlich einen schmalen, grasbedeckten Streifen erreicht hatten – den Hudson River Park, in dem sich etliche Familien und Pärchen auf Picknickdecken, Radfahrer und Jogger tummelten, die die Nachmittagssonne genossen. Auf dem Fluss schaukelten Boote, als wären sie nur dafür da, den Parkbesuchern eine hübsche Kulisse zu bieten. Baby lächelte. War doch eigentlich ganz nett hier.
    »Okay.« Ophelia klatschte in die Hände und blieb neben einem jungen Pärchen stehen, das sich gerade ein

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