Nippon-Connection
Du weißt genau, wie sie ihre Geschäfte machen. Für jeden haben sie etwas parat. Du kriegst etwas, die Polizei kriegt etwas, der Polizeipräsident kriegt etwas - keiner wird vergessen. Und im Gegenzug dürfen sie sich die Person aussuchen, die sie als Kontaktmann haben wollen. Sie wissen, daß sie immer etwas gegen dich in der Hand haben, und jetzt haben sie gegen mich auch etwas in der Hand. Und alles nur, weil du letztes Jahr nicht nach Las Vegas gefahren bist. Es hätte wie eine Gewohnheit ausgesehen, so wie ich es dir gesagt habe. Verdammte Scheiße!«
»Und jetzt meinst du, du müßtest das Sorgerecht für Michelle beantragen?«
Sie seufzte. »Wir agieren doch jetzt nur mehr gemäß unseren Rollen, Peter.«
Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr und dann auf die Reporter. Ich merkte, daß sie ungeduldig war. Sie wollte das Gespräch mit mir hinter sich bringen, sich dann vor die Presse stellen und die Rede halten, die sie bereits ausgearbeitet hatte. Lauren hatte schon immer einen ausgeprägten Sinn für das Dramatische gehabt.
»Weißt du denn so genau, welche Rolle du spielst, Lauren?« fragte ich sie. »Es wird hier nämlich in den nächsten Stunden ziemlich chaotisch zugehen. Vielleicht ist es dir lieber, da nicht mit hineingezogen zu werden.«
»Ich bin bereits hineingezogen worden.«
»Nein.« Ich holte die Polaroidaufnahmen aus der Tasche und zeigte sie ihr.
»Was ist das?«
»Das ist ein Einzelbild aus den Überwachungsvideos von Nakamoto. Sie wurden gestern nacht aufgenommen, und zwar zum Zeitpunkt des Mordes an Cheryl Austin.«
Sie sah das Foto skeptisch an. »Das soll wohl ein Witz sein.«
»Nein.«
»Willst du das durchziehen?«
»Wir müssen.«
»Du willst Senator Morton verhaften? Hast du jetzt auch noch den letzten Rest deines mickrigen Verstandes verloren?«
»Kann sein.«
»Damit kommst du nie durch, Peter. Nie.«
»Kann sein.«
»Die machen dich so schnell und so gründlich fertig, daß du überhaupt nicht mitkriegst, wie es passiert.«
»Kann sein.«
»Das funktioniert nie und nimmer. Du weißt genau, daß du das nie schaffst. Letzten Endes wird Michelle die Leidtragende sein.«
Darauf erwiderte ich nichts. Lauren wurde mir von Minute zu Minute mehr zuwider. Wir gingen weiter. Ihre spitzen Stöckel klapperten über den Gehsteig.
Schließlich sagte sie: »Peter, wenn du weiterhin sorücksichtslos vorgehen willst, kann ich nichts dagegen tun. Als deine Freundin rate ich dir aber davon ab. Wenn du jedoch unbedingt darauf bestehst, kann ich dir nicht mehr helfen.«
Ich sagte nichts. Ich wartete nur und betrachtete sie. Im harten Tageslicht sah ich, daß sie erste Falten bekommen hatte. Ich sah ihren dunklen nachwachsenden Haaransatz. Ich sah den Lippenstiftfleck auf ihrem Zahn. Sie nahm die Sonnenbrille ab und schaute mich besorgt an. Dann drehte sie sich von mir weg und blickte zu den Reportern hinüber; dabei klopfte sie mit ihrer Sonnenbrille auf die Innenfläche ihrer Hand.
»Wenn du das wirklich durchziehen willst, Peter, halte ich es für besser, die Sache um einen Tag zu verschieben und den Ereignissen ihren Lauf zu lassen.«
»In Ordnung.«
»Damit du mich nicht mißverstehst - meine Vorbehalte bestehen weiterhin, Peter.«
»Ich verstehe.«
»Aber ich finde, das Sorgerecht für Michelle sollte nicht in eine andere, völlig verrückte Auseinandersetzung mit hineingezogen werden.«
»Bestimmt nicht.«
Sie setzte ihre Sonnenbrille auf. »Du tust mir leid, Peter. Ehrlich. Du hattest einmal eine vielversprechende Zukunft bei der Polizei vor dir. Ich weiß, daß du für eine führende Position im Gespräch warst. Aber wenn du das hier durchziehst, kann dich nichts mehr retten.«
Ich lächelte. »Na ja.«
»Hast du außer fotografischem Beweismaterial noch irgend etwas in der Hand?«
»Ich weiß nicht, ob ich dir mehr Einzelheiten sagen soll.«
»Wenn du nämlich nur fotografisches Beweismaterial hast, dann ist es aussichtslos, Peter. Der Staatsanwalt wird das Zeug nicht anrühren. Fotografisches Beweismaterial gilt nicht mehr. Es kann zu leicht manipuliert werden, und das wissen die Gerichte. Wenn du nur ein Foto von dem Typen hast, wie er das Verbrechen begeht, taugt das überhaupt nichts.«
»Wir werden ja sehen.«
»Peter«, sagte sie, »du wirst alles verlieren: deinen Job, deine beruflichen Aussichten, dein Kind, alles. Wach endlich auf! Tu’s nicht!«
Sie ging zum Wagen zurück. Ich begleitete sie. Keiner sagte mehr etwas. Ich wartete darauf, daß
Weitere Kostenlose Bücher