Nippon-Connection
sie sich nach Michelle erkundigte, aber sie tat es nicht, was nicht überraschend war. Sie hatte an anderes zu denken. Wir kamen zu ihrem Auto. Sie ging darum herum, um auf der Fahrerseite einzusteigen.
»Lauren.«
Sie blickte mich über das Wagendach hinweg an.
»Lassen wir die Sache in den nächsten vierundzwanzig Stunden auf sich beruhen, ja? Keine wohlplazierten Anrufe, okay?«
»Keine Angst«, sagte sie. »Ich habe nichts von all dem gehört. Ehrlich gesagt, wünschte ich mir, ich hätte nie etwas von dir gehört!«
Sie stieg ein und brauste ab. Während ich ihr nachsah, fühlte ich, wie meine Schultern sich senkten und die Anspannung nachließ. Es war mehr als der Umstand, daß ich getan hatte, wozu ich entschlossen gewesen war - ich hatte sie überredet, die Finger von der Sache zu lassen, zumindest für eine Weile. Aber es war mehr als das. Da war noch etwas anderes, das jetzt endlich ein Ende gefunden hatte.
C onnor und ich stiegen die Hintertreppe meines Mietshauses hinauf, um den Presseleuten zu entkommen. Ich erzählte ihm, was passiert war. Er zuckte mit den Achseln.
»Hat Sie das überrascht - wie die Kontaktleute ausgesucht werden?«
»Ja. Ich habe mir wohl nie Gedanken darüber gemacht.«
Er nickte. »Aber so geht es vonstatten. Die Japaner haben großes Geschick darin, Anspornprämien zu verteilen. Anfangs hatte die Polizei Bedenken, Außenstehende bei der Auswahl der Kontakt-Officers mitreden zu lassen. Aber die Japaner sagten einfach, sie wollten auch gefragt werden, ihre Empfehlungen seien ja nicht bindend. Und sie betonten, wie sinnvoll es sei, an der Wahl der Kontaktleute beteiligt zu werden.«
»Mhm.«
»Um zu beweisen, daß sie unparteiisch sind, schlugen sie vor, dem Hilfsfonds der Polizei eine Spende zukommen zu lassen, die dem gesamten Police Department zugute kommen würde.«
»Wie hoch war die?«
»Eine halbe Million, glaube ich. Und der Chef wurde gebeten, nach Tokio zu kommen und sich verschiedene Systeme zur Registrierung von Straftaten anzusehen. Eine dreiwöchige Reise mit einem einwöchigen Zwischenaufenthalt auf Hawaii. Alles erster Klasse. Und natürlich jede Menge Publicity, die der Chef ja sehr zu schätzen weiß.«
Wir waren am Treppenabsatz der zweiten Etage angelangt und stiegen nun in den dritten Stock hinauf.
»Wenn so etwas erst mal über die Bühne gegangen ist, fällt es dem Polizeipräsidium natürlich schwer, die Empfehlungen der asiatischen Gemeinde zu ignorieren. Da steht dann einfach zuviel auf dem Spiel.«
»Mir ist nach Kündigen zumute«, murmelte ich.
»Diese Entscheidung steht Ihnen immer frei«, erwiderte Connor. »Sie haben also Ihre Frau dazu gebracht, den Rückzug anzutreten?«
»Meine Exfrau. Sie hat sofort kapiert, um was es geht. Ist ein feinfühliges politisches Wesen, meine Lauren. Allerdings mußte ich ihr sagen, wer der Mörder ist.«
»In den nächsten Stunden kann sie sowieso nicht viel anstellen«, sagte Connor achselzuckend.
»Aber was ist mit den Fotos? Sie sagt, daß die vor Gericht nicht anerkannt werden. Und Sanders sagte das gleiche. Die Zeit des fotografischen Beweismaterials ist vorbei. Haben wir denn noch andere Beweise?«
»Darum habe ich mich schon gekümmert«, antwortete Con-nor. »Ich glaube, das geht in Ordnung.«
»Wie denn?«
Er hob die Schultern.
Wir standen vor dem Hintereingang zu meiner Wohnung. Ich schloß die Tür auf, und wir betraten die Küche. Sie war leer. Ich ging durch den Gang in die Diele. In der ganzen Wohnung herrschte völlige Stille. Die Wohnzimmertüren waren zu. Aber in der Luft hing deutlich der Geruch von Zigarettenrauch.
Elaine, meine Haushälterin, stand in der Diele und sah aus dem Fenster zu den auf der Straße stehenden Reportern hinunter. Als sie uns hörte, drehte sie sich um. Sie wirkte verängstigt.
»Ist mit Michelle alles in Ordnung?« fragte ich.
»Ja.«
»Wo ist sie?«
»Sie spielt im Wohnzimmer.«
»Ich will sie sehen.«
»Lieutenant, ich muß Ihnen erst noch etwas sagen.«
»Vergessen Sie’s«, erwiderte Connor. »Wir wissen es schon.« Er stieß die Tür zum Wohnzimmer auf. Und ich bekam den größten Schock meines Lebens.
J ohn Morton saß, ein Kleenex rings in den Kragen gestopft, am Schminktisch im Fernsehstudio. Die Maskenbildnerin puderte gerade seine Stirn.
Woodson, sein Mitarbeiter, stand neben ihm und überreichte ihm gerade ein Fax: »Das hier empfehlen sie Ihnen für das weitere Vorgehen. Die Argumentationslinie lautet im großen und ganzen
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