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Nixenfluch

Nixenfluch

Titel: Nixenfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Dunmore
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kraulen wir dem Ufer entgegen. Die Kälte des Wassers beginnt in den Gliedern zu schmerzen. In Indigo spürt man davon nichts, doch sobald man Indigo verlässt, ist man vollkommen schutzlos. Meine Arme und Beine prickeln, als würden sie mit tausend Nadeln gestochen.
    »Ich muss un … unbedingt tr … trockene Sachen anziehen«, sagt Conor.
    »Ist das k … kalt«, stoße ich bibbernd aus.
    Ich taumele, als ich aus dem Wasser komme. Die Flut ist niedriger als zum Zeitpunkt unseres Aufbruchs am Morgen. Dem Stand der Sonne nach zu urteilen, ist jetzt später Nachmittag, und die Flut hat gerade erst begonnen. Ich schüttele den Kopf, um wieder klar denken zu können. Es kommt mir so vor, als sei ich jahrelang fort gewesen.
    Conor hatte unsere Klamotten hoch oben auf den Felsen deponiert, die sollten also noch trocken sein.
    Die Person am Strand winkt, kommt uns aber nicht entgegen. Eine Schrecksekunde lang denke ich, es ist Mum, doch dann beschatte ich mit der Hand meine Augen und erkenne Gloria Fortune.
    Wie ist das möglich? Gloria kommt mit ihren Krücken doch niemals hier herunter. Außerdem würde sie keinen Unfall riskieren.
    »Hallo, kleine Meerjungfrau!«, ruft sie mir entgegen und setzt sich in Bewegung.
    »Sag nichts, Saph«, flüstert Conor. »Lass mich das machen.«
    Doch Gott sei Dank hat Gloria nur einen Scherz gemacht. Sie glaubt, wie wären im kalten Wasser gewesen, weil Kinder eben manchmal auf so eine Schnapsidee kommen, und sobald sie entdeckt, wie sehr wir zittern, sagte sie, wir sollten sofort unsere Kleider wechseln, ehe wir uns eine Lungenentzündung holen.
    Warum ist sie hier? Was weiß sie?
    Ich schnappe mir mein trockenes Kleiderbündel, ziehe mich hinter einen Felsen zurück, zerre mir die nassen Sachen vom Leib und rubbele mich so hart mit dem Handtuch ab, bis ein bisschen Leben in meinen Körper zurückkehrt. Die trockenen Kleider fühlen sich seltsam kratzig und hart an – in Indigo ist alles fließend und weich. Die Luft ist dünn und lärmend. Möwen schreien, ein Hubschrauber knattert hoch am Himmel, Wellen schlagen an Felsen und schießen zischend über den Sand. Es ist wirklich ein Höllenlärm. Warum glauben die Leute bloß, dass wir an einem der friedlichsten Orte auf Erden leben?
    Ich stopfe meine nassen Klamotten zu Conors Sachen in die Tasche. Dann treten wir Gloria Fortune erneut gegenüber. Die beste Taktik ist es immer, Fragen zu stellen, bevor man selbst gefragt werden kann – vernünftige Fragen wie beispielsweise: Bist du die Klippen hinuntergeflogen?
    »Ihr fragt euch bestimmt, wie ich hierher gekommen bin«, sagt Gloria. »Richard hat mich von Morvrinney mit dem Boot hergefahren.«
    »Oh, ist er … ist er auch hier?«
    »Er kommt in einer halben Stunde wieder. Ich wollte ein bisschen … nun ja, ich wollte ein bisschen allein sein. Außerdem wollte ich schon immer mal diese Bucht kennenlernen.« Sie macht eine Pause, runzelt die Stirn und fährt ein wenig unsicher fort: »Das klingt jetzt vielleicht etwas merkwürdig. Ich weiß, dass dies eure Bucht ist, und ihr denkt vielleicht, dass ich hier nichts verloren habe, aber ich musste einfach hierher kommen. Als würde diese Bucht mich magisch anziehen.« Sie versucht zu lächeln, aber das Lächeln erreicht nicht ihre Augen.
    »Ich glaube, du solltest lieber nicht allein hier sein«, sagt Conor mit solcher Überzeugung, als wäre er der Erwachsene und Gloria das Kind.
    Ich bin derselben Meinung. Eine halbe Stunde ist vielleicht keine so lange Zeit, aber doch lange genug, um einen leuchtenden Kopf über der Wasseroberfläche zu entdecken oder eine Gestalt an der Mündung der Bucht sitzen zu sehen, die ihren Neoprenanzug bis zu den Hüften heruntergezogen hat. So sieht es zumindest aus der Ferne aus. Doch wenn man dieser Gestalt näher kommt, ist es irgendwann zu spät. Denn sobald ich erkannte, dass Faro keine Märchengestalt, sondern ein Wesen aus Fleisch und Blut ist, gab es für mich kein Zurück zu meinem alten Leben mehr.
    Glorias Ehemann kann natürlich nicht wissen, wie gefährlich es ist, sie hier allein zu lassen. Er ahnt nicht, dass die Bucht ein Tor zu einer anderen Welt ist, und er weiß ebenso wenig, wie sehr Glorias Gesicht manchmal Züge von Indigo trägt.
    »Du solltest nicht allein hier sein«, wiederholt Conor. Gloria fährt sich mit der Hand über die Augen, als wolle sie etwas wegwischen.
    »Eigentlich wollte ich mich heute mit Granny Carne treffen«, sagt sie mit verwirrter Stimme. »Ich frage mich,

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