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Abendsonne genossen. Ich
schlängelte mich zwischen den Tischen hindurch, rempelte einige Größen der
Siebten Kunst: Jacqueline Pierreux, Annette Poivre, Yves Deniaud usw. usw. Ein
Kellner wies mir freundlicherweise den Weg zu Jacques Dorly. Der saß inmitten
der Menschenmenge am äußersten Ende der Terrasse, hart an der Avenue George V.
An seinem Tisch saßen zwei weitere Herren und Sophie Desmarets, die charmante
Tochter des ehemaligen Direktors des Vélodrome d’Hiver . Sicher würzte sie das Gespräch mit einer ihrer schlagfertigen Antworten, für
die sie bekannt war. An ihrem Tisch herrschte eine ausgelassene Stimmung.
„Entschuldigen Sie bitte,
Monsieur Dorly“, drängte ich mich auf.
Der Regisseur sah mich an.
„Wir sind uns schon mal
begegnet“, fügte ich hinzu.
Er amüsierte sich sehr viel
weniger als die andern. Mit einem Schlag amüsierte er sich gar nicht mehr.
„Ich hab’s nicht vergessen“,
seufzte er. „Was...“
„Könnte ich Sie einen
Augenblick sprechen?“
Er stand auf, entschuldigte
sich bei seinen Freunden und ging mit mir die paar Schritt zur Avenue.
„Ja?“
„Möchte Sie was fragen“, begann
ich. „Natürlich brauchen Sie nicht zu antworten. Ich bin kein Flic...“
„Hm... weil... die Flics…“ Er
runzelte die Stirn. „...Gibt’s Probleme?“
„Keine großen. Also, meine
Frage...“
„Schießen Sie los!“
„Mademoiselle Ponceau hatte
schon seit Jahren keinen Film mehr gedreht, als Sie ihr eine Rolle gaben. Hatte
sie auch noch andere Angebote, bevor sie für Brot für die Vögel unterschrieb? Von anderen Produzenten?“
„Niemand hat an Lucie gedacht.
Ich war der einzige, der ihr zu einem Comeback verhelfen wollte.“
„Sind Sie sicher?“
„Absolut sicher.“
„Gut. Also, Sie haben dann
diesen Film gedreht. Und schon während der Dreharbeiten hat sich rumgesprochen,
daß Ihr Star eine beachtliche Leistung bot, nicht wahr?“
„Ja.“
„Haben da nicht schon andere
Produzenten versucht, sie für weitere Filme zu verpflichten?“
„Doch, ja.“
„Wissen Sie, wer?“
„Ich weiß nicht, ob...“
„Ich krieg die Namen sowieso
raus, Monsieur.“
„Hm... Zwei Produzenten haben
angefragt: Chaunel und Rouget. Aber Lucie hat abgelehnt, und sie haben’s
aufgegeben.“
„Zwei?“
„Ja.“
„Nur Chaunel und Rouget?“
»Ja.
„Nicht noch andere? Denken Sie
gut nach, Monsieur Dorly.“
„Das brauche ich gar nicht.
Immerhin bin ich besser informiert als Sie, oder?“
„Zweifellos. Aber... Wissen
Sie, ich meine verstanden zu haben, daß auch Monsieur Laumier... Henri
Laumier...“
„Laumier?“ Er lachte schallend.
„Wo, zum Teufel, haben Sie denn das her?“
Überrascht sah er mich mit
seinen großen Augen an, als wollte er sagen: ,Na ja,
mein Lieber, als Detektiv... Wenn wir in unseren Filmen keine besseren hätten,
würde man uns was anderes erzählen!“ Laut sagte er:
„Laumier hat sich nie für Lucie
interessiert. Hätte auch gar nichts mit so einer Künstlerin anfangen können.“
„Und Sie sind ganz sicher?“
„Absolut sicher“, bekräftigte
Dorly nochmal.
„Dann entschuldigen Sie bitte,
daß ich Sie belästigt habe.“ Wir gaben uns die Hand. Er ging zu seinen Freunden
zurück. Ich schlenderte noch ein wenig die Avenue entlang.
Tony Charente, ein ehemaliger
Drogenabhängiger, der offensichtlich keine Lust hat, wieder einer zu werden...
Lucie Ponceau, die nie Rauschgift genommen hat, sich aber mit Opium umbringt...
Pierre Lunel, der wieder rückfällig wird und alles durcheinanderbringt... Und
was war mit dem Kerl, den Montferrier erwähnt hatte,... Äh... Raymond Morgues.
Ja, so hieß der.
Ich ging in das erstbeste
Bistro. Ganz demokratisch. Wieder ans Telefon. Vielleicht meldete sich
Mademoiselle Annie... Sie meldete sich.
„Ich bin’s schon wieder“, sagte
ich. „Kann Ihnen noch nichts Neues berichten. Dafür will ich Sie aber was
fragen. Monsieur Montferrier hat den Namen Raymond Morgues erwähnt. War auch
vom Rauschgift runter, wurde dann aber wieder rückfällig. Deswegen ist der
Film, den er gerade drehte, den Bach runtergegangen. Wissen Sie zufällig, ob
dieser Morgues irgendwann mal mit Laumier in Verhandlung stand?“
„Nein“, sagte Mademoiselle
Annie. „Aber ich könnte mich erkundigen.“
„Tun Sie’s bitte, ja?“
„Sofort morgen früh. Ist es
wichtig?“
„Weiß ich noch nicht. Ich
wollte’s nur wissen.“
„Wenn Raymond Morgues mit
Laumier in Verhandlung stand“, sagte sie
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