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No & ich: Roman (German Edition)

No & ich: Roman (German Edition)

Titel: No & ich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delphine de Vigan
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hinter sich zugeknallt. Es muss etwas passiert sein. Es ist etwas passiert.

    Nach der Stunde folgt mir Monsieur Marin ins Treppenhaus und spricht mich an.
    »Mademoiselle Bertignac, Ihr Schnürsenkel ist offen.«
    Ich zucke die Achseln. Mein Schnürsenkel ist nun schon seit bald dreizehn Jahren offen. Ich dehne, strecke, verlängere meinen Schritt. Eine Frage des Trainings. Monsieur Marin geht an mir vorüber, lächelnd.
    »Passen Sie auf sich auf.«
    Ich habe kein Wort gesagt. Er hat mich sehr genau verstanden.

    Vor der Englischstunde treffe ich wieder auf Lucas, ich komme gar nicht dazu, die Frage zu stellen: No ist nicht zurückgekommen. Er hat den Schlüssel unter der Fußmatte gelassen. Es gehe ihr schlecht, sagt er, sie trinkt heimlich, sie stinkt geradezu nach Alkohol, sie macht allen möglichen Scheiß, allen möglichen Scheiß, er spricht schnell und laut, er ist nicht mehr vorsichtig, man hört ihn bestimmt noch am anderen Ende des Flurs, wir schaffen es nicht, Lou, sagt er, das musst du einsehen, wir können sie nicht in diesem Zustand lassen, sie nimmt irgendwelche Pillen, sie spricht nicht mehr mit einem, dagegen kommen wir nicht an …
    »Mit mir spricht sie.«
    Lucas sieht mich an, als hielte er mich für verrückt, er geht in den Klassenraum, ich setze mich neben ihn.
    »Du machst es dir nicht klar, Krümel, du willst es dir nicht klarmachen.«

    Ich lehne an meinem Baum, der auch sein Baum ist, rings um uns ertönen Lachen und Schreie. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich verstehe die Gleichung der Welt nicht, die Unterteilung in Traum und Realität, ich verstehe nicht, warum die Dinge ins Wanken geraten, umstürzen, verschwinden, warum das Leben seine Versprechen nicht hält. Axelle und Léa kommen untergehakt und entschlossenen Schritts auf uns zu.
    »Salut!«
    »Salut.«
    »Wir wollten euch zu einer Party bei Léa einladen, am nächsten Samstag.«
    Lucas lächelt.
    »O.k., find ich cool.«
    »Bist du im MSN?«
    »Ja.«
    »Dann gib uns deine Adresse, wir schicken dir die Einladung.«
    Mir passt das alles gar nicht. Wir haben Wichtigeres zu tun. Wir gehen gegen den Strom der Dinge. Wir sind durch denselben Eid gebunden. Einen stillschweigenden Eid. Das ist so viel wichtiger. Alles Übrige zählt nicht. Alles Übrige darf nicht zählen.
    Ich sage nichts, ich höre, wie sie über Musik reden, Lucas wird seinen iPod mitbringen, da ist alles Mögliche drauf, das reicht für die ganze Nacht, die besten Stücke der Welt und so. Sie lachen prustend, geraten ins Schwärmen, wenden sich dann an mich, du doch auch, Lou, dieses Mal kommst du doch? Ich beobachte sie, während sie mit ihm kichern, sie sind fünfzehn, sie haben Brüste in ihren Büstenhaltern und Hintern in ihren Jeans. Sie sind hübsch, an ihnen ist nichts auszusetzen, es gibt nicht die kleinste Winzigkeit, um derentwillen man sie hässlich finden könnte, gar nichts. Lucas streicht sich das Haar aus den Augen, und plötzlich mag ich diese Geste nicht mehr, und auch nicht mehr die Art, wie er vor ihnen steht, selbstsicher, entspannt.

    Den restlichen Tag über schmolle ich ein wenig. Schmollen tut gut, genau wie vorm Spiegel schimpfen, es baut Spannungen ab. Es darf nur nicht zu lange dauern, man soll seine Betroffenheit zeigen, aber man muss auch aufhören können, bevor es ätzend wird. Deshalb sage ich ihm nach der Mathestunde, los komm, wir gehen zu dir, ich kaufe dir eine brioche suisse. Die mag er nämlich am liebsten, diese Schnecken mit Vanillecreme und Schokostreuseln. Die sind wie kleine Krümel, und er liebt Krümel, denke ich, während ich in der Bäckerei Schlange stehe, er liebt mich, aber er weiß es nicht. Oder aber er findet mich zu klein zum Küssen. Oder er ist mir böse, weil ich ihm No vorgezogen habe. Oder er ist in Léa Germain verliebt. Oder …
    Das Blöde an Hypothesen ist, dass sie sich in Schallgeschwindigkeit vermehren, wenn man sich gehenlässt.

    Wir kommen mit einer Riesentüte voller Gebäck in die Wohnung. Die Vorhänge sind zugezogen. Im Halbschatten sehen wir sie auf dem Sofa liegen, wahrscheinlich ist sie morgens beim Nachhausekommen da zusammengebrochen, ihr T-Shirt ist über dem Bauch nach oben gerutscht, ein Speichelfaden rinnt aus ihrem Mund, ihre Haare hängen über die Sofakante, sie liegt auf dem Rücken, den Blicken preisgegeben. Wir nähern uns auf Zehenspitzen, ich wage kaum zu atmen. Lucas sieht mich an, und in seinen Augen steht in Großbuchstaben: Was habe ich dir gesagt?
    Es stimmt, dass

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