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Nobels Testament

Nobels Testament

Titel: Nobels Testament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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Stadt gab es auch hier den Wettbewerb
Wer holt sein Kind als Erster.
Annika verlor immer.
    »Welche Jungs haben Kalle geschubst?«, fragte Annika leise, während Ellen auf den Rücksitz kletterte.
    Lotta, die einen langen Tag hinter sich hatte, seufzte schwer.
    »Benjamin und Alexander«, sagte sie. »Sie wissen ja, wie sie sind. Sie wollten nichts Böses, nicht wirklich.«
    »Natürlich nicht«, sagte Annika ruhig. »Haben Sie mit ihnen gesprochen?«
    »Ja, und auch mit ihren Eltern …«
    Sie ließ die Antwort in der Luft hängen.
    »Und? Wie haben sie reagiert?«, fragte Annika.
    Lotta blickte zu Boden.
    »Sie wollen es lieber als einen Unfall sehen«, antwortete Lotta und schoss einen Ball hinüber zum Schuppen. »Sie meinten, ich würde die Sache zu wichtig nehmen. Jungs müssen sich wie Jungs benehmen dürfen, all dieses Gerede, Sie wissen schon. Aber ich habe gesagt, wie es gewesen ist. Die beiden haben Kalle vom Klettergerüst geschubst. Daran besteht kein Zweifel.«
    »Haben Sie es gesehen?«
    »Nein, aber Marika, die Erzieherin von der Kleinkindgruppe. Sie war sich ganz sicher.«
    »Ist gut«, sagte Annika. »Danke für Ihre Mühe.«
    Sie fuhren nach Hause und setzten die Suppe auf. Annika hatte vergessen, den Wein in den Kühlschrank zu stellen, deshalb legte sie jetzt ein paar Flaschen in die Tiefkühltruhe und hoffte, dass sie sie nicht, wie sonst immer, dort vergessen würde. Die beiden Kinder hatten Hunger, sie durften Fischstäbchen und Kartoffelbrei vom guten Porzellan essen, bevor die Gäste kamen. Zufrieden machten sie es sich dann mit einer DVD in der Fernsehecke gemütlich und schauten
Barbapapa.
    Im Essbereich sammelte Annika Stifte und Blätter und Teddyzeitschriften ein, breitete eine Decke auf dem Tisch aus und stellte auch dort ein paar Blumen hin. Sie staubsaugte geschwind durchs Wohnzimmer und wischte die Steinfliesen in der Küche. Auf einer schnellen Runde durchs Haus ordnete sie Kleider, Wäsche und Spielsachen in die entsprechenden Schränke und Schubladen, scheuerte die Toiletten und Waschbecken und legte frische Handtücher raus.
    Kerzen, konnte man Ende Mai noch Kerzen anzünden?
    Sie entschied sich dagegen.
    So. Das Haus war schön genug.
    Sie ging hinauf ins Schlafzimmer, um sich etwas zum Anziehen herauszusuchen.
    Vielleicht ein Kleid, oder war das zu schick?
    Draußen war es noch immer richtig warm, über zwanzig Grad, obwohl es schon halb acht war.
    Müsste Thomas nicht auch bald nach Hause kommen?
    Sie bürstete sich das Haar und zog ein geblümtes Kleid an, legte Lippenstift auf und Goldohrringe an und stellte fest, dass sie aussah wie eine Handballspielerin aus Hällefornäs, die versuchte, sich als Djursholm-Gattin zu verkleiden.
    Schnell zog sie das Kleid wieder aus und wischte den Lippenstift ab. Stattdessen schlüpfte sie in eine Jeans und eine frisch gebügelte weiße Bluse, die Ohrringe behielt sie an. Die waren von ihrer Großmutter.
    Es klingelte an der Haustür, Mist, Thomas war noch nicht da, was sollte sie jetzt tun?
    Barfuß rannte sie die Treppe hinunter und riss die Tür auf.
    Der Mann, der davorstand, wich erschrocken einen Schritt zurück, bevor er loslachte.
    »Hui, hallo! Sind wir hier richtig bei Samuelssons?«
    Er war groß und dunkel und ein bisschen schlaksig, seine Frau war klein und zierlich und sehr schön.
    »Selbstverständlich«, sagte Annika und merkte, dass ihr Mund ganz trocken war. »Herzlich willkommen …«
    Sie öffnete die Tür und trat ein Stück zurück.
    »Thomas ist noch nicht zu Hause, aber kommen Sie nur herein …«
    »Larsson.« Der Mann und die Frau reichten ihr die Hand. Annika wusste, wer er war. Er arbeitete auch daran, die Privatsphäre der Leute durch mehr Kontrolle und Gesetze einzuschränken.
    Sie hatten Blumen und eine Flasche Rotwein mit superedlem Etikett mitgebracht.
    »Möchten Sie etwas trinken?«, fragte Annika und hatte das Gefühl, dass ihre Hände viel zu groß für den Rest ihres Körpers waren.
    »Dry Martini wäre nicht schlecht«, sagte Herr Larsson.
    »Ja, warum nicht?«, sagte Frau Larsson und lächelte.
    Annika spürte, wie ihr Lächeln bröckelte.
    Wie in aller Welt machte man einen Dry Martini?
    Gab es wirklich Leute, die ernsthaft so etwas tranken?
    Einen Augenblick schlug sie den Blick nieder und erkannte, dass sie sich schnell entscheiden musste. Entweder versuchte sie, einer Rolle gerecht zu werden, die sie nicht beherrschte – das würde umso peinlicher werden, je weiter der Abend fortschritt

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