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Nobels Testament

Nobels Testament

Titel: Nobels Testament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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»Janet.«
    Er ergriff sie und lächelte zurück.
    »Johan«, sagte er. »Wo sollen wir uns hinsetzen?«
    Sie ging zu einem Tisch am Ende des Flurs, und er sah, dass sie das linke Bein leicht nachzog. Sie öffnete beide Bierflaschen und reichte ihm eine.
    »
Para mi héroe
«
,
sagte sie und hob die Flasche.
    Er nahm sie entgegen und trank mit vorsichtigen Schlucken. Das Bier war sauer und ein wenig bitter, er verzog unwillkürlich das Gesicht.
    »Was ist«, fragte sie bestürzt. »Magst du es nicht?«
    Er räusperte sich.
    »Doch, doch«, sagte er. »Ist nur ein bisschen ungewohnt … Du sprichst Spanisch?«
    Schüchtern zuckte sie mit den Achseln und lachte auf.
    »Meine Familie stammt aus Mexiko«, erzählte sie. »Ich bin die Erste in der Verwandtschaft, die zur Universität geht. Das ist eine riesige Sache für sie.«
    Er nickte ihr aufmunternd zu, sie schien ein schlaues Mädchen zu sein.
    »Als ich fünf war, sind wir über den Rio Grande geschwommen«, sagte sie. »Gleich westlich von Ciudad Juárez.«
    Er riss die Augen auf. Welche Schicksale es gab!
    »Ich bin an einem Stacheldraht hängen geblieben, der verhindern sollte, dass solche wie wir auch etwas vom amerikanischen Traum haben«, sagte sie und deutete auf ihre Wange und ihr linkes Bein. »Es ist nie wieder richtig gut geworden.«
    »Tut es weh?«, fragte er.
    Sie sah ein wenig bedrückt aus.
    »Nur hier drin«, antwortete sie und legte die Hand aufs Herz.
    »Vermisst du deine Familie?«
    Sie nickte und lächelte.
    »Ich sollte meinen Kummer ertränken.«
    Sie ließ ihre Bierflasche gegen seine klirren.
    »Ex und hopp«, sagte sie und trank sie in einem einzigen Zug aus.
    Er holte tief Luft und folgte ihrem Beispiel, nahm ein paar kräftige Schlucke. Er mochte eigentlich kein Bier, und dieses hier war richtig ekelhaft.
    »Willst du noch eins?«, fragte sie, doch er beeilte sich, abwehrend die Hand zu heben.
    Wieder legte sie den Kopf schräg.
    »Da ist noch etwas, wobei ich Hilfe bräuchte«, sagte sie. »Meine Proben, die liegen im Kühlraum im obersten Fach, und ich komme nicht dran, selbst wenn ich mich auf den Hocker stelle. Kannst du sie mir holen?«
    Er lachte. Sie war wirklich seltsam.
    »Weißt du, dass du total schöne Augen hast?«, fragte er.
    Auf ihren Wangen zeigten sich Lachgrübchen.
    »
Thank you
«
,
sagte sie. »Du bist auch ganz
cute.
«
    Er kippte den Rest des Biers hinunter und unterdrückte eine Grimasse.
    »Meine Proben …«, sagte sie und zeigte auf die Tür zum Kühlraum.
    Er ging zum Kontrollbord rechts von der Tür, schaltete drinnen das Licht an und überprüfte den Thermostat. Siebenundzwanzig Grad unter null.
    »Wo stehen sie?«, fragte er.
    »Ganz hinten, im obersten Fach«, sagte sie und zog die Tür für ihn auf.
    Er betrat den Raum und schauderte vor Kälte, es war unheimlich, wie kalt es dort war. Der Gang zwischen den Regalen war schmal und eng. Aufbewahrte Objektträger, Schachteln mit Proben, ganze Reihen mit tiefgekühltem Zellmaterial. Er ließ den Blick über die Beschriftungen schweifen und fühlte sich ein bisschen unwohl.
    »Wo sagtest du, dass die Proben stehen?«, fragte er hinter sich, und im selben Moment fiel die Tür zu.
    Ohne wirklich zu verstehen, was das bedeutete, starrte er auf die geschlossene Tür. Auf der linken Seite bemerkte er den Regler für den Notöffner und die Kühlanlage.
    »Janet?«, sagte er.
    Er hörte ein Klicken, die Leuchtstoffröhre an der Decke blinkte noch einmal, und dann wurde es schwarz.
    »Janet!«, rief er in die Dunkelheit. »Die Tür ist zugefallen.«
    Er streckte die Arme aus, tastete sich vor und stieß gegen einen Glaskolben, der krachend zu Boden fiel, tappte zur Tür und drückte den Notschalter.
    Nichts geschah.
    Er drückte noch einmal, fester.
    »Janet!«
    Mit seinem ganzen Gewicht stemmte er sich gegen die Tür. Sie bewegte sich nicht.
    Er schrie und schrie und schrie, bis seine Stimmbänder versagten.
    Das Kätzchen seufzte und zupfte an der gelb-weiß gestreiften Schutzkleidung mit engen Bündchen an den Handgelenken. Der Druckknopf scheuerte im Nacken, Cillas Clogs waren zu groß und schlappten beim Gehen. Sie schob die Fensterglasbrille mit dem dunklen Gestell hoch, sah auf die Uhr und seufzte erneut.
    Sie hatte inzwischen so lange in dieser Staffage Laborratte gespielt, dass es ihr zu den Ohren rauskam.
    Noch eine Viertelstunde.
    Sie lugte durch die Scheibe in der Schleusentür, der Flur lag verlassen in der Dämmerung. Der Frühsommerabend neigte sich

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