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Nobels Testament

Nobels Testament

Titel: Nobels Testament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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abgelassen, es würde also eine Weile dauern, bis sich die Luft wieder stabilisierte.
    Sie schaute auf die Uhr und atmete wieder schwer aus.
    Zum Schluss hatte er ja doch noch das ganze Bier runtergekriegt. Was für ein Typ war das, der kein Pils mochte? Die Chemikalien schmeckten leider nicht besonders lecker – das war nicht zu ändern gewesen –, aber nicht so schlimm, dass ein durstiger Mann es nicht hätte aushalten können.
    Es war eigentlich unglaublich, dass sie auf diese Weise die Fehler anderer Leute ausbaden musste. Schließlich hatte nicht sie diese Quasselstrippe angeheuert, sondern der Komplize, dieser verdammte Anfänger. Das hatte sie sehr deutlich gemacht.
    Nun, es war kein größerer Schaden entstanden, man musste auch für die kleinen Dinge dankbar sein.
    Noch einmal sah sie auf die Uhr.
    Eine Stunde und dreiundfünfzig Minuten.
    Das musste reichen. Die Kälte, kombiniert mit den Drogen, könnte innerhalb von zwei Stunden einen Elefanten umbringen. Es war an der Zeit, ein Handy abzuholen und auf einem Computer drüben im Studentenwohnheim ein bisschen Ordnung zu machen.
    Sie zog die Schutzkleidung und die Brille aus und legte sie zu den leeren Bierflaschen in eine Plastiktüte. Die Latexhandschuhe behielt sie an (alle Flächen, die sie mit bloßen Händen berührt hatte, waren bereits gesäubert, und sie hatte nicht vor, das noch einmal zu machen).
    Schnell zog sie Stiefel und Jeansjacke an. Ging hinüber zum Büro der Quasselstrippe, durchsuchte seinen Krempel und steckte sein Handy ein. Die Tür ließ sie angelehnt, genau, wie sie sie vorgefunden hatte.
    Zuletzt holte sie einen Schlüssel aus der Tasche und ging zurück zum Kühlraum. Einen Moment lauschte sie an der Tür, obwohl sie wusste, dass sie nichts hören würde, dann steckte sie den Schlüssel ins Schloss und öffnete.

Mittwoch, 26. Mai
    Annika ging einen Waldweg entlang. Die Luft war warm und sonnig, fast schon heiß. Sie ging leichten Schrittes, denn sie erkannte die Umgebung. Dies war der Weg nach Lyckebo, zu Großmutters Hof im Wald gleich am Hosjö.
    Dann tauchte plötzlich eine Frau vor ihr auf, eine blonde Frau mit Pagenkopf, die sich langsam, beinahe schwebend zwischen den Bäumen bewegte. Sie trug ein weißes Gewand mit weiten Ärmeln, so weit, dass sie bis zum Boden reichten.
    Da lachte die Frau; ein Lachen, das wie Vogelgesang klang, und die Erkenntnis traf Annika so unvermittelt, dass ihr die Luft wegblieb. Erst hat sie mir meinen Mann genommen, und jetzt nimmt sie mir auch noch die Großmutter!
    Annika schrie und stürmte Sophia Grenborg hinterher, sie schrie, dass es aus dem Wald herausschallte, nicht mehr weit, und sie hätte sie eingeholt. Plötzlich entdeckte Annika, dass sie selbst eine Pistole in der Hand hielt, eine Walther 7,65, geladen mit israelischen Teilmantelgeschossen.
    »Du Luder«, schrie Annika.
    Sophia drehte sich langsam um, und Annika bemerkte, dass die Pistole in ihrer Hand gar keine Pistole war, sondern eine schwarze Eisenstange. Es war die Eisenstange, mit der sie Sven erschlagen hatte, und sie hob die Stange und schlug mit solcher Kraft, dass sie Blut schmeckte.
    Als aber die Stange die Schläfe der Frau traf, sah sie, dass es nicht Sophia Grenborg war, die dort vor ihr stand, sondern Caroline von Behring, und sie war keine Frau, sondern ein Engel mit langen, weißen Flügeln, die bis zum Boden reichten.
    Annika erwachte und wusste nicht, wo sie sich befand. Die Sonne knallte auf ihr Bett, der Bettbezug war feucht von Schweiß. Direkt vor dem Fenster saß irgendein Vogel und sang wie besessen, sie stöhnte laut auf und zog sich das Kissen über den Kopf, um die Realität nicht sehen zu müssen.
    Sie lag in ihrem Schlafzimmer in der Djursholmer Villa.
    Natürlich wusste sie das.
    Sie seufzte und befreite sich aus den verschwitzten Laken. Thomas war schon weg, das wusste sie, ohne überhaupt auf seine Seite des Bettes geschaut zu haben. Er machte sich morgens schon vor sieben Uhr auf den Weg zur Arbeit, angeblich, um Staus zu entgehen. Der wahre Grund war, dass die Liebe zu seiner bedeutungsvollen Arbeit die Liebe zu seiner höchst gewöhnlichen Familie bei weitem übertraf. Jedenfalls dachte sie das in ihren schwärzesten Momenten.
    Sie zog ihren gewöhnlichen Frotteebademantel an, ging die Treppe hinunter und in die Küche, um Frühstück für ihre gewöhnlichen Kinder zu machen. Die Sonne schien herein und spiegelte sich im Parkett, der Kirschbaum vor dem Küchenfenster stand in voller Blüte.

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