Noch ein Kuss
»Und ich bin nicht diejenige, die fast fünfzig Dollar verpulvert hat, um diesen Riesenbären zu gewinnen.«
»Nein, aber wer war es noch, der geseufzt hat: ›Oh, würde der nicht sehr schön in meinem Wohnzimmer aussehen‹?«
»Ich bekenne mich schuldig.« Carly grinste. »Und es war sehr nett von dir, dass du mir den Wunsch erfüllt hast.« Sie dachte an den kuscheligen rosa Bären, der nun gemütlich auf dem Rücksitz ihres Mietautos saß. »Wie geht’s dem Wurfarm?« Spielerisch drückte sie Mikes muskulösen Bizeps zusammen und zog ihre Hand schnell wieder zurück, ehe sie der Versuchung erlag weiterzuforschen.
Mike schnaubte und reichte ihr die Wolke aus gesponnenem Zucker.
»Ich liebe Zuckerwatte.« Carly nahm einen Bissen von dem rosafarbenen Flaum, schloss die Augen und ließ den Zucker im Munde zergehen. »Himmlisch.«
»Lass mich mal probieren.«
Als sie hörte, was Mikes tiefe Stimme sagte, riss sie erschrocken die Augen wieder auf.
»Nur ein kleines bisschen.« Um seine Augen erschienen kleine Lachfältchen. »Bitte.«
Ehe sie ihre Meinung ändern konnte, steckte Carly einen Finger in die duftige rosa Wolke. »Mund auf.« Sie erkannte ihre eigene Stimme kaum wieder.
Mike gehorchte. Carly hielt den mit Zucker beklebten Finger in die Höhe, steckte ihn in seinen erwartungsvoll geöffneten Mund und sah genau hin, als seine Lippen sich um ihren Finger schlossen. Warm, feucht und einladend. Ihr wurde schwindlig, doch das war nur ein kleiner Anfall verglichen mit dem erregenden Schauer, der sie überlief, als er an ihrer Fingerspitze knabberte. Dass eine so simple Geste ihr ganzes Leben ins Wanken bringen konnte …
Sie wünschte sich etwas, was sie nie für möglich gehalten hätte. Was sie sich nie zu wünschen hatte. Sie wünschte sich Leidenschaft. Etwas, das die Sehnsucht stillte, die in jedem Teil ihres Körpers pulsierte. Sie wollte Mike.
Aber das durfte nicht sein.
Langsam zog sie ihren Finger wieder zurück und wischte ihn an ihren Jeansshorts ab. »Bitte sehr«, sagte Carly, während sie sich nervös und verlegen abwandte.
Mike räusperte sich. »Machst du das mit Pete auch?«, fragte er.
»Was?« Die Frage veranlasste Carly, sich sofort wieder zu ihm umzudrehen.
Mike lächelte dieses charmante Lächeln, das ihm so leichtfiel, ihr aber regelmäßig den Atem verschlug.
»In einen Vergnügungspark gehen. Macht ihr zwei so etwas gelegentlich?«, fragte Mike.
»Oh.« Erleichtert stieß Carly den Atem aus. »Nein.« Sie und Peter unterhielten sich, aßen in schicken Restaurants, falls er nicht gerade arbeitete, und besuchten Veranstaltungen, die mit der Arbeit zu tun hatten. Mit seiner oder ihrer, aber meistens mit seiner. Nicht ein einziges Mal hatten sie sich die Freiheit genommen, einfach nur Spaß zu haben.
Warum hatte sie es sich gestattet zu glauben, das reiche ihr? Weil Geborgenheit und Beständigkeit ihr wichtiger waren als eine schöne Zeit. Hatten sich ihre Gefühle in so kurzer Zeit so sehr verändert, oder war Mike nur der Auslöser, der sie zwang, sich Dingen zu stellen, die sie zu lange unterdrückt hatte?
»Ich schätze, Peter entspannt sich nicht oft genug, um etwas wie das hier genießen zu können«, sagte Mike.
»Stimmt genau.«
»Es ist eine Schande. Als wir klein waren, hat er diesen Park sehr geliebt.«
»Sind eure Eltern oft mit euch hergekommen?« Hastig legte Carly eine Hand auf Mikes Arm. »Tut mir leid«, murmelte sie. »Das war gedankenlos. Ich habe von meiner Kindheit auf eure geschlossen und dummes Zeug geredet.« Wie hatte sie nur so achtlos sein können?
Mike zuckte die Achseln. »Kein Problem. Es ist lange her, dass Pete und ich verlassen worden sind. Wir haben uns ganz gut durchgebissen.«
Diese Wortwahl überraschte Carly. Und Mikes Lächeln erschien ihr aufgesetzt. Zwischen einem Waisenkind und einem verlassenen Kind bestand ein gewisser Unterschied. Sie fragte sich, ob ihm das nicht bewusst war.
»Was ist passiert?«, fragte sie.
»Hat Pete dir das nie erzählt?«
Carly schüttelte den Kopf. »Nicht im Detail.« Und sie hatte ihn auch nicht weiter gedrängt. Also warum zwang sie nun Mike zum Reden?
Er stieß einen Seufzer aus. »Meine Tante und mein Onkel waren nicht gerade die besten Ersatzeltern. Wir haben sehr wenig Liebe von ihnen bekommen und noch weniger Spaß mit ihnen gehabt.« Er sprach ohne Groll, doch als er über den Park blickte, biss er die Zähne zusammen und machte ein verschlossenes Gesicht. Der sorglose Mann vom frühen
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