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Noch ein Kuss

Noch ein Kuss

Titel: Noch ein Kuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carly Phillips
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schlingernd einen Steilhang hinuntergerast. Genauso wie Mike es viele Male zuvor in Ländern mit anderen Namen gesehen hatte. Als er den Bus erreichte, stank es schon überall nach Benzin. Doch er und sein Begleiter hatten es geschafft, die Überlebenden aus dem Wagen zu ziehen, ehe er explodierte, dabei hatte ein Metallsplitter einen Muskel in seiner rechten Schulter durchtrennt. Schon allein die Erinnerung daran trieb Mike den Schweiß auf die Stirn, und er wischte sich mit dem Handrücken über die Brauen.
    Diese vielen kleinen Kinder, die nun allein waren, weil ihre Mütter vorn im Bus gesessen hatten, während sie hinten miteinander spielten. Reine Glückssache, auch das hatte Mike schon viele Male erlebt. Das ganze Essen, das er sich im Vergnügungspark zusammen mit Carly einverleibt hatte, drohte ihm wieder hochzukommen.
    In den darauffolgenden Wochen war er mit seiner Verletzung beschäftigt gewesen. Er hatte die Zeit genutzt, um dabei zu helfen, die Väter der Kinder oder andere lebende Verwandten aufzuspüren. Doch die meisten waren ebenfalls schon getötet worden. All diese Kinder waren verwaist, so wie Mike und Peter. Und obwohl sein Chef ihn ins Zentrum des Konflikts zurückbeordert hatte, sobald die Ärzte ihn für gesund erklärten, war er abgehauen.
    Er hatte mitten im Einsatz alles hingeworfen und sich in das nächstbeste Flugzeug gesetzt, das in die Staaten flog. Vier Wochen zu früh für die Hochzeit seines Bruders … oder gerade rechtzeitig, je nachdem, wie man seinen Platz in dieser schrecklichen Dreierkonstellation definierte, dachte er zynisch.
    Er schaute auf die Kamera in seiner Hand, den Ausrüstungsgegenstand, der wie ein Teil von ihm war. In dem Augenblick begriff Mike. Egal, wie viele Erinnerungen und Zweifel ihn quälten, früher oder später würde er sich mit ihnen auseinandersetzen müssen. Wenn sein Chef ihn rief – und das würde er tun – , wollte Mike nicht zögern. Obwohl Don am Ende eingelenkt und ihm »ausgedehnte Ferien« bewilligt hatte, hatte er geschworen, dass die nächste heiße Story Mike gehören würde. Und Mike vertraute nicht nur darauf, dass sein Chef und Freund ihm so viel Zeit ließ, wie er brauchte, sondern auch darauf, dass er ihn danach so bald wie möglich in den Hintern treten und wieder an die Front schicken würde. Wahrscheinlich war das genau der Antrieb, den er brauchte, um wieder in Gang zu kommen.
    Er würde zurückkehren in das einzige Leben, das er kannte. Plötzlich tauchte Carlys Gesicht vor ihm auf. Wenn er sich seiner Vergangenheit stellte, musste er sie zurücklassen … und einen Berg schmerzlicher Erinnerungen gegen einen anderen eintauschen.

Kapitel 5
    Fünf Tage und kein Wort von Mike. Da es bis zum Tag ihrer Hochzeit nur noch eine knappe Woche hin war, sollte sie eigentlich erleichtert sein, dachte Carly. Das Leben ging weiter, und Peter war es sogar an einem Abend gelungen, früher von der Arbeit zu kommen und sie zum Essen auszuführen. Ein sicheres Zeichen dafür, dass die Lage sich besserte. Wenn man an Zeichen glaubte. Doch in diesen Tagen klammerte sich Carly an jedes gute Zeichen, das sie finden konnte.
    Sie legte letzte Hand an die letzte Kolumne vor den Sommerferien und schickte den Text zum Drucken. Sie würde den Ausdruck in den nächsten Tagen an Juliette weiterreichen. Als sie auf ihre Armbanduhr sah, stellte sie fest, dass sie das Unvermeidliche nicht länger hinauszögern konnte, also machte sie sich auf zum Brautmodengeschäft – zur letzten Anprobe. Da sie mit Mike keinen Kontakt mehr gehabt hatte, konnte sie hoffentlich davon ausgehen, dass sie dabei allein sein würde.
    Sie betrat das Brautmodengeschäft, in dem sie ihr Kleid gekauft hatte, und stellte dankbar fest, dass der Laden nicht besonders voll war. Mit ein wenig Glück würde alles schnell vorüber sein. Sie brauchte nicht lange zu warten, da kehrte die junge Verkäuferin, die sie nach ihrem Namen gefragt hatte, auch schon mit einem langen Kleidersack über dem Arm zurück. Beim Anblick der undurchsichtigen Reißverschlusshülle begann Carlys Magen nervös zu flattern. Ehe die Verkäuferin Carly zum Anproberaum im hinteren Teil des Geschäfts führen konnte, wurde sie nach vorn gerufen.
    Die junge Frau lächelte entschuldigend und hängte den Sack an einen Haken an der Wand. »Ich bin gleich wieder da.«
    »Ich warte hier.« Alleingelassen starrte Carly wie hypnotisiert auf den weißen Sack, ihr Magen hörte gar nicht mehr auf mit seinen Kapriolen. In diesem

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