Noch Einmal Sollst Du Buessen
frustriert und verletzt war sie. Dabei sagte er nichts als die Wahrheit. Es gab für sie keine Zukunft, keine Liebe …
„Es stimmt, was man über dich sagt“, antwortete sie endlich. „Und es war dumm von mir, für dich einzutreten. Du bist schlecht.“
„Ja, wahrscheinlich.“
Er gab es auch noch zu! Marnie drehte sich auf dem Absatz um und stürmte mit tränenblinden Augen aus dem Raum. Sie musste von ihm weg. Er durfte sie nicht schwach sehen. In der Halle warf sie sich auf ihr Bett und begann zu weinen.
„Marnie!“
O nein, er kam hinterher! Sie rannte aus dem Haus, um die Ecke, zum Hof. Seine Schritte knirschten hinter ihr im Kies, und unter der frühlingsgrünen Krone eines Ahornbaums hatte er sie eingeholt. „Marnie, warte! Hör mir zu!“ Er fasste sie am Arm, und sie versuchte vergeblich, sich loszureißen.
Er zog sie an seine Brust und legte die Arme um sie. „Marnie, Marnie, Marnie“, flüsterte er, und sein warmer Atem strich über ihr Haar. „Du darfst mich nicht hassen.“
„Und ob ich dich hasse!“, log sie. Sein Duft hüllte sie ein. „Du scheinst nur zu existieren, um anderen Probleme zu machen. Mein Vater hatte recht!“
„Dein Vater irrt sich in vielen Dingen, und du ebenfalls.“ Er blickte in ihre tränenfeuchten Augen, und sie hätte nichts lieber getan, als sich an seine Brust zu schmiegen und ihn anzuflehen, seine grausamen Worte zurückzunehmen.
„Lass mich allein!“
Er tat es nicht. Stattdessen küsste er sie, hungrig und besitzergreifend, fordernd und tröstend. Sie kämpfte und wehrte sich, aber seine Arme waren kräftig, sein Kuss heiß und sinnlich und sein Wille ebenso stark wie ihrer.
Ihr Körper reagierte, wurde weich und schmiegsam. Sie ließ die Arme kraftlos sinken und fühlte nur noch ihn. Seine Umarmung, die Wärme der Sonne, die salzige Meerbrise, das Zwitschern der Vögel, all das verband sich zu einer einzigen Empfindung, die ihr ganzes Wesen erfüllte.
Mit dem Rücken an den Baum gelehnt, schlang Marnie die Arme um Adams Nacken und presste sich verlangend an ihn. Ihr Kuss wurde tief und leidenschaftlich, alles um sie her versank in ein Nichts, als Adam die Hand unter ihren Pullover schob und ihre Brüste streichelte. Nur undeutlich, wie durch einen dichten Nebel, nahm sie wahr, dass irgendetwas den Frieden störte.
Dann hörten sie beide das Motorengeräusch.
Marnie hatte gerade noch Zeit, ihren Pullover glattzustreichen und eine Träne fortzuwischen, bevor der kleine Wagen auf dem unkrautüberwucherten Hof hielt, der einmal ein Parkplatz gewesen war.
Die Wagentür öffnete sich, und ein Paar auf Hochglanz polierte Schuhe kamen zum Vorschein. Die Tür wurde aufgestoßen, und Victor stieg aus. Seine Gestalt erschien Marnie größer und mächtiger als in der Zeit ihrer Kindheit.
„Was zum Teufel geht hier vor?“ Seine Stimme klang bedrohlich leise und wurde vom Donnern der Brandung fast verschluckt. Er ließ den Blick von Marnie zu Adam wandern. „So, Drake, Sie haben erreicht, was Sie wollten“, sagte er in schneidendem Ton. „Ich bin da. Und nun?“
„Ich möchte nur mit Ihnen reden.“
Erst jetzt erblickte Marnie Kent, der die Beifahrertür öffnete und mit steifen Schultern und maskenhaft starrem Gesicht näher kam. Seine ganze Haltung zeigte seinen Abscheu, als könnte er die Szene, die sich vor seinen Augen abspielte, kaum ertragen. Aber Marnie kannte ihn besser als die meisten anderen und sah in seinem Gesicht mehr, als er zeigen wollte. Hinter seinem verächtlichen Ausdruck verbarg sich Furcht.
Ein Windstoß wehte Marnie das Haar ins Gesicht, und als sie es zurückstrich, kam Victor auf sie zu und musterte sie besorgt. „Alles in Ordnung, Marnie?“, fragte er und nahm sie väterlich in die Arme.
„Ja, Dad, ich bin okay“, sagte sie etwas kleinlaut, denn seine offenkundige Besorgnis machte ihr Gewissensbisse.
„Wirklich?“ Er hielt sie auf Armeslänge von sich weg und betrachtete sie forschend, als würde er die Wunden in ihrer Seele sehen.
„Glaub mir, Dad, ich habe mich nie besser gefühlt.“ Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Adams Züge sich anspannten.
„Und er?“ Victor deutete auf Adam, in dessen Augen ein rebellischer Ausdruck erschien. „Hat er dich anständig behandelt?“
„Hier hat nicht einer den anderen behandelt“, erwiderte sie ruhig. „Außerdem … du bist ja jetzt hier. Warum redest du nicht selbst mit ihm?“
Victors Kiefermuskeln arbeiteten, und einen Moment lang war es still. „Okay, Drake.
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