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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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London eilte und um Audienz bei der Königin bäte?«
    »Ihr kämt nicht an Walsingham vorbei, der Euch, als den Schwager Mademoiselle de Montcalms, gar nicht erst vorließe.«
    Ich verstummte, den inneren Blick auf die endlosen Hindernisse gerichtet, die sich vor mir wie eine Mauer erhoben, und hinter dieser Mauer hörte ich gleichsam die Klagen der Eingekerkerten, der entweder lebenslange Gefangenschaft drohte oder aber das Schafott, und das nach Folterqualen, wie sie Verrätern vorbehalten sind. Da aber – mittlerweile hatten sich meine Augen an das Halbdunkel gewöhnt – sah ich, wie die Gesellschafterin Lady Stafford einen so beredten und einverständigen Blick zuwarf, daß ich vermutete, man habe mich absichtlich in solche Verzweiflung gestürzt, um mich unmerklich dahin zu lenken, wohin man wollte. Ha, schoß es mir durch den Sinn, diese Engländerinnen mit ihren schönen klaren Augen und musikalischen Stimmen sind doch gerissener als gedacht. Ich wette, daß Lady Stafford, eine so hohe und schöne Dame sie auch sei, genauso politisch und in die Staatsaffären eingeweiht ist wie ihr Gemahl, der Gesandte, und daß ihre Gesellschafterin wohl nicht allein für ihre Gesellschaft zuständig ist. Ich würde schwören, daß dies hier auf einen Handel mit halben Worten abzielt, der gleichzeitig meinen Angelegenheiten wie denen der englischen Königin dient. Wollen doch sehen, dachte ich, wenn es nicht gegen die Interessen meines Herrn ist, ihm in gewisser Weise sogar ebenfalls dienen würde – warum nicht?
    »Madame«, sagte ich, mich Lady Stafford zuwendend und ihre Augen suchend, »ratet mir in dieser Lage, und ich gehorche, weiß ich doch, daß Ihr mich kennt und nichts von mir erwarten werdet, was meinem König abträglich ist.«
    »Ich denke nicht daran«, sagte Lady Stafford, diesmal auf französisch, wobei ihr Akzent den Zauber ihres Lächelns noch erhöhte. »Das läge mir ganz fern. Allerdings, wie Ihr mit französischer Finesse errietet, steht meine Sicht in einer gewissen Beziehung zu Eurem König. Wir wissen, Monsieur le Chevalier, daß Euer Gebieter unserer Königin einen außerordentlichen Gesandten in Gestalt des Herrn Pomponne de Bellièvre schicken will, um für Maria Stuart zu plädieren und zu verhindern, daß sie zum Tode verurteilt wird. Darf ich Euch fragen, was der König über diesen Pomponne denkt?«
    |306| »Mylady«, sagte ich kühl, »Ihr verlangt von mir Auskünfte über die Regierung dieses Reiches, welche ich Euch in Ehren nicht geben kann, sowenig ich diesen Pomponne auch schätze.«
    »Monsieur«, sagte sie, indem sie mir wiederum die Hand auf den Arm legte und ihre Schulter an meine, um mir ihren langen Hals graziös zuzubeugen und mich von nahem anzublicken, »Euer Ehrenpunkt ist zu empfindlich. Erlaubt, daß ich meine Karten noch einmal aufnehme und mit Rücksicht auf Eure Empfindlichkeit neu ausspiele.«
    »Bitte, Mylady«, sagte ich lächelnd.
    »Monsieur«, fuhr sie in ihrem singenden Französisch fort, »ich lege meine Karten jetzt auf den Tisch und decke sie auf. Ich glaube, Monsieur, daß Euer König diesen Herrn Pomponne de Bellièvre nicht eben liebt; daß er für dessen umständliche Rhetorik nur Spott übrig hat und ihn ›Pomponne Pompös‹ nennt; daß er ihn für eine Kreatur seiner Mutter hält und für einen heimlichen Ligisten, dem er wenig vertraut. Sind meine Karten gut, Monsieur?«
    »Soweit ich sehe, ja.«
    »Ich glaube auch«, sagte Lady Stafford, »daß der König nicht anders kann, als Monsieur de Bellièvre nach London zu entsenden, erstens, weil Maria Stuart seine Schwägerin ist, und zweitens, weil die Liga Zeter und Mordio schreien würde, wenn er es unterließe, daß aber …«, hier unterbrach sich Lady Stafford, um heftig meinen Unterarm zu drücken und mit ihren grünblauen Augen fest in die meinen zu blicken, »daß aber, sollte Maria Stuart verurteilt und hingerichtet werden, der König von Frankreich trotzdem nichts unternehmen würde, sie zu retten.«
    Ha! dachte ich, indem ich die Lider senkte und eine Weile in Schweigen verharrte, das also steckt hinter dem Ganzen. Elisabeth will versichert sein, daß Heinrich Neutralität wahrt, wenn Maria abgeurteilt wird. Nun, Leser, ich hatte tausend Gründe anzunehmen, daß der König diese Prinzessin nicht sonderlich liebte – eine Lothringerin von der Mutter her und Verwandte der Guises, eine fanatische Papistin, Idol der Liga, die Freundin seiner schlimmsten Feinde – und daß er überdies auf

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