Noch nicht mal alleinerziehend
Nora überfordert. Daggi und Luna hoben die Hände. Die anderen schüttelten – selig lächelnd und wie auf Kommando alle die Hände über ihren Bäuchen haltend – den Kopf. »Na prima«, dachte Nora. Feiern war auch mal anders gewesen. Sie goss drei Gläser ein, stellte das alkoholfreie Bier auf den Tisch und prostete allen zu. »Schön, dass ihr da seid!« Alle nuschelten etwas Ähnliches und stürzten sich dann sofort wieder auf DAS Thema: Kinderkriegen.
»Also, ehrlich gesagt, habe ich voll Panik. Ist ja mein erstes Kind«, begann Florentine. »Ist das schlimm, so eine Geburt?« Alle, die bereits Leben in die Welt gesetzt hatten, stiegen sofort ein. Luna griff nach der Flasche Prosecco und stellte sie direkt vor sich, neben ihr Glas und den Aschenbecher. Nora begann, die Suppenteller zu füllen. Am Tisch redeten alle wild durcheinander. Nur einzelne Worte kamen bei Nora an: »… 27 Stunden …«, »… voller Horror …«, »… scheiß Ärzte …«, »… keine Presswehen …«, »… erst mit der Zange, dann mit der Glocke …«, »… war alles super bei mir …«, »… habe ich derart nach der PDA geschrien …«, »… noch nie solche Schmerzen …«, »… Dammschnitt war am unangenehmsten, auch in der Zeit danach …«
Please, wir wollen doch essen, dachte Nora und verteilte, angewidert lächelnd, die Teller mit der chinesischen Hühnersuppe an ihre Gäste.
»Und wie viel habt ihr zugenommen?«, fragte Florentine mit todernstem Gesicht.
»10«, »13«, »18«, »24« – wie Auktionsgebote schossen die zugenommenen Schwangerschaftskilos durch Noras Küche.
»Oh je«, sagte Florentine. »Davor habe ich echt auch Panik.«
Daggi sah Florentine, die eine traumhafte 36er-Figur hatte, musternd an. »Ja, aber ein solches Wunderwesen neun Monate unter dem Herzen zu tragen, das hat schon echt etwas Überwältigendes. Das lässt jedes Kilo vergessen.«
Luna leerte gerade ihr Prosecco-Glas auf ex, füllte es gleich wieder auf und setzte erneut an. Nora tat es ihr gleich.
»Ich fand es sogar wunderschön, diesen Bauch vor mir herzutragen«, setzte Nina ein. »Das hatte etwas Magisches. Alle Menschen, die an dir vorbeigehen, strahlen dich an, oder seufzen: ›Ach, wie schön!‹. Jeder will dich anfassen. So viel positive Energie und Aufmerksamkeit.«
»Kenn ich. Passiert mir auch immer, wenn ich mit Paloma im Stadtpark spazieren gehe. Nur, dass da alle den Hund anfassen wollen. Zum Glück«, flüsterte Luna Nora zu. Nora kicherte. Ihr fielen all die Hochschwangeren ein, die sie in den letzten Jahren hautnah miterleben durfte. Oder musste? Irgendwie konnte Nora immer das Wasser in ihren Gesichtern, in ihren Beinen und ihren Füßen erkennen. Es musste ziemlich schmerzhaft sein, das ganze Gewicht auf aus den Schuhen quellenden Füßen vor sich herzuschieben. Sie sah die Hautunreinheiten, die Stützstrümpfe und die viel zu großen Brüste, die aus dem BH zu springen drohten. Das sollte wunderschön sein? Daggi ergriff das Wort: »Ich fand es auch rührend, wenn Menschen andächtig meinen Bauch berührt haben, so als ob das Glück, Segen und Reichtum bringen würde. Aber es hatte auch eine erschreckende Distanzlosigkeit, die nach der Schwangerschaft komplett Richtung null geschrumpft ist. Was musste ich mir für Kommentare über meine Figur gefallen lassen.« Daggi atmete schwer durch und zeigte ein genervtes Gesicht. »Die krasse Fleischbeschau fängt ja nach der Schwangerschaft erst richtig an. Völlig hemmungslos nimmt sich plötzlich Hinz und Kunz heraus, deinen Arsch oder deine Titten zu kommentieren.«
Luna musterte Daggis Körper, der sich eigentlich nicht viel verändert hatte, seitdem Axel auf die Welt gekommen war.
»Früher«, so ereiferte sich Daggi weiter, »hat man wenigstens hinter meinem Rücken über meinen Arsch gelästert. Als Axel auf der Welt war, durfte man mir offenbar alles ins Gesicht sagen. Völlig hemmungslos.«
Florentine hatte die Augen weit aufgerissen. Panik stand ihr auf der Stirn. Nina tätschelte ihr über den Tisch hinweg die Hand und sagte: »Aber das ist alles lächerlich im Vergleich zu dem Gefühl, dein Kind im Arm zu halten. Es ist faszinierend zu sehen, wie echt Kinder sind. Es gibt nichts Vergleichbares! Und man entdeckt sich plötzlich selbst in ihnen. Klar, manches ist auch hineinfantasiert – was sie so alles Geniales von einem geerbt haben.« Nina lachte. Alle bereits im Mutterstatus stehenden Mädels lächelten zustimmend.
»Und wann seid ihr wieder
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