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Noch nicht mal alleinerziehend

Noch nicht mal alleinerziehend

Titel: Noch nicht mal alleinerziehend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dunja M Pechner
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Psychoanalytiker, psychologische Berater und Lebensberater es in Köln gab. Die Menschen in ihrer Stadt schienen Hilfe dringend nötig zu haben. Und jetzt war Nora eine von ihnen. Die vielen unterschiedlichen Titel der Fachleute in Sachen Psyche verwirrten Nora zusätzlich, also beschränkte sie ihre Suche erst mal auf die »Psycho-was-auch immers«, die sich in ihrem Stadtteil niedergelassen hatten. Hauptsache Psycho! Sie las dutzende Profile und ließ die Bilder der Seelenklempner auf sich wirken. Zu ihrem Erschrecken musste sie feststellen, dass viele so aussahen, als wären sie selbst nicht mit sich im Reinen. Nora suchte jemanden, der Kompetenz und Zuversicht ausstrahlte. Jemand, dessen Bild schrie: »Hey, das habe ich auch schon erlebt, alles halb so wild.« Letztlich fand sie ein Foto und einen Namen, die alles zu vereinen schienen: Dipl.-Psychologin Rosa Glücksburg. Rosa, wie Nora sie bereits im Stillen nannte, sah tatsächlich glücklich aus. In ihrem kleinen, feinen Gesicht blitzten grüne, gütige Augen. Sie lächelte sanft, ruhend, fast mütterlich, und ihr schwarzes Haar hatte sie zu einem korrekten, aber nicht strengen Zopf gebunden. Und Burgen mochte Nora besonders gerne, die waren aus dicken Steinen gebaut. Sicher also. Laut Eintrag im Internet machte Rosa Glücksburg Gesprächstherapie, Gestalttherapie, Psychoanalyse, Psychotherapie und psychologische Beratung. Was auch immer die Unterschiede waren, Nora fand es ungemein beruhigend, dass ihr Angebot so umfangreich war. Mit der Hoffnung im Hinterkopf, dass eine kurze Beratung vielleicht ausreichen werde, hatte sie gleich am Mittwoch bei Rosa angerufen und noch einen Termin für Freitag bekommen. Hier stand sie also, eine Viertelstunde zu früh, die Kapuze ihrer Sweatshirtjacke über dem Kopf, eine dicke Sonnenbrille im Gesicht und die dritte Zigarette soeben austretend. »O. k., dann wollen wir mal«, sagte sie zu sich und all ihren inneren Schweinehunden. Rosa Glücksburgs Praxis lag im dritten Stock und lief über die gesamte Etage. Es roch nach Räucherstäbchen. Im Flur begrüßte sie eine freundliche junge Frau, die hinter der Anmeldung stand. »Frau Leinenmacher?! Schön, dass Sie gekommen sind. Frau Glücksburg ist gleich für Sie da. Einen Tee?!« Sie deutete auf eine Sitzecke, an deren Kopfseite ein Sideboard aus Holz stand. Darauf befanden sich irgendwelche Steine, eine Buddhafigur aus Holz, ein Zimmerbrunnen und ein Stövchen mit einer Kanne Tee. Auf einem Tablett daneben warteten kleine asiatische Teebecher, Gläser und eine Karaffe Wasser. Die Praxis war hell, aber nicht kühl. An den weißen Wänden hingen schwere Holzrahmen, die mit Aufnahmen von Sonnenuntergängen, Wolken oder dem Meer bestückt waren. Dazwischen waren Laternen mit bunten Glasscheiben angebracht, in denen Kerzen friedlich flackerten. Nora zog ihre Sonnenbrille ab, öffnete ihre Jacke, goss sich einen Tee ein und setzte sich. Pünktlich um neun trat Rosa aus einem der drei Räume, die vom Flur abgingen, und lächelte Nora erfreut an. »Frau Leinenmacher, bitte!« Sie deutete mit der Hand in das Zimmer. »Ihren Tee können Sie gerne mitnehmen.« Nora nickte und stand auf, um Rosa zu folgen. Rosa war kleiner, als Nora gedacht hatte. Und dünn. Nein, das stimmte nicht, zart war sie. Fast zerbrechlich. Aber sie stand aufrecht und selbstbewusst. Zu Noras großer Erleichterung trug Rosa keinen weißen Kittel, sondern Jeans, Ballerinas, ein weißes T-Shirt und eine dünne Strickjacke. Noch erleichterter war Nora, als sie feststellte, dass im Raum keine Couch stand. Sie hätte sich ungern direkt auf die Couch gelegt. Da wäre sie sich wirklich krank vorgekommen …
    Der asiatische Stil des Wartebereichs setzte sich auch in diesem Raum fort. »Wo möchten Sie Platz nehmen: am Schreibtisch oder hier drüben?« Rosa deutete auf eine Sitzgruppe mit Sesseln.
    »Die Sessel, das ist irgendwie gemütlicher.«
    »Wie Sie wollen.« Rosa lächelte – alles an ihr lächelte. Sie holte einen Block und einen Stift und forderte Nora auf, sich zu setzen. »Frau Leinenmacher, ich würde gerne zu Beginn noch einmal erläutern, wie ich mit neuen Klienten vorgehe.« Sie sagte Klienten, nicht Patienten, das mochte Nora. »Wie ich Ihnen am Telefon bereits gesagt habe, ist dieser erste Termin eher als unverbindliches Kennenlernen zu verstehen. Mir ist es besonders wichtig, dass Sie sich wohlfühlen und dass Sie, wie auch ich, danach das Gefühl haben, dass wir zusammenarbeiten möchten und können.

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