Noch weniger Sex und ich wäre ein Pandabär - die Desaster eines verhinderten Frauenverstehers
aufgetaucht waren. Den einen hatten sie zu Boden gepresst und ihm mit wasserfestem Filzstift lauter Penisse ins Gesicht gemalt. Dem anderen hatten sie in Sport vor versammelter Mannschaft die Hose ausgezogen. Und da ich von solchen Aktionen bislang verschont geblieben war, redete ich mir ein, dass ich mit dem Stand der Dinge eigentlich ganz zufrieden sei.
Das Ganze ging so weit, dass meine Eltern mich förmlich mit Gewalt zur Fahrschule zerren mussten, als ich sechzehn wurde und den Führerschein machen durfte. Anders als die meisten Teenager, die es kaum erwarten können, sich endlich hinter das Steuer eines Wagens zu quetschen und mit ihren Freunden von einer Fete zur anderen zu gondeln – oder irgendwo zu parken und mit ihren Freundinnen herumzuknutschen –, ließ mich die Aussicht auf den Führerschein relativ kalt. Von zu Hause bis zur Schule war es gerade einmal eine Meile, und meine Freunde wohnten quasi um die Ecke. Da ich überall zu Fuß hingehen konnte, erschien es mir nicht nur überflüssig, sondern auch viel zu anstrengend, den Führerschein zu machen.
Trotzdem fand ich in den Gelben Seiten auf Drängen meiner Eltern eine Fahrschule ganz in der Nähe und meldete mich zu einem sechswöchigen Kurs à zwei Wochenstunden an. Mein Fahrlehrer war ein dürres Kerlchen Ende zwanzig, dessen rasierter Schädel sich dank übermäßiger Sonneneinstrahlung ständig schuppte; außerdem stank er wie eine fleischgewordene Marihuanaplantage. Das Übungsfahrzeug war ein brauner Nissan aus den Achtzigern mit einer Bremse auf der Beifahrerseite; manchmal stieg der gute Mann aus lauter Jux und Tollerei urplötzlich in die Eisen und stieß japsend vor Lachen hervor: »Ihr denkt, ihr habt die Karre voll im Griff, und wenn ich dann auf die Bremse trete, macht ihr Euch vor Schiss fast ins Hemd.« Einmal musste ich ihn »zu ’nem Kumpel« fahren, in dessen Wohnung er dann eine halbe Stunde verschwand; als er wieder herauskam, war er so bekifft, dass er den Weg zurück zur Fahrschule vergessen hatte. Schließlich gurkten wir fast eine Dreiviertelstunde ziellos durch die Gegend, während er mir sein Lebensziel verriet: Er wolle den Beweis erbringen, dass Menschen und Seelöwen am Strand in Ruhe und Frieden miteinander leben konnten. Sein genialer Plan erschöpfte sich im Wesentlichen darin, »vor ihren Augen ein paar Fische zu verspeisen, damit sie sehen, dass wir auch gern Fisch essen«.
Dennoch gelang es mir allen Widrigkeiten zum Trotz, mir ein paar Fahrkenntnisse anzueignen. Und so zwängte ich mich an einem verhangenen Samstagmorgen auf den Beifahrersitz des silberfarbenen ’86er Oldsmobile Brougham meines Vaters, und wir fuhren zum Kraftfahrzeugamt in Clairemont Mesa, wo ich meine Fahrprüfung ablegen wollte.
»Aufgeregt?«, fragte mein Vater.
»Ja, ein bisschen.«
»Nur ein bisschen? Hier geht’s um deine Unabhängigkeit. Wenn du deinen Lappen hast, kannst du dich jederzeit in diese Kiste setzen und auf Nimmerwiedersehen verschwinden.«
»Das könnte ich auch ohne Führerschein«, sagte ich.
»Nein, könntest du nicht, das wäre nämlich illegal.«
»Mindestens genauso illegal wie deinen Wagen zu nehmen und auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden. Das ist nämlich schwerer Autodiebstahl«, sagte ich.
»So, und jetzt ist Ruhe, bis wir da sind.«
Ein paar Minuten später hielten wir vor einem braunen, einstöckigen Amtsgebäude, bei dessen Anblick ich unwillkürlich alle Hoffnung fahren ließ. Wie die meisten halbwegs klar denkenden Amerikaner hasst mein Dad das Kfz-Amt, und als wir eintraten und feststellten, dass es in der Eingangshalle von verschwitzten, müden und gereizten Leuten nur so wimmelte, trat er nervös von einem Bein aufs andere und kaute an seinen Fingernägeln.
»Nun sieh dir dieses Loch an. Alle stinken wie die Pest und lungern in der Gegend rum, als würden sie in Russland um einen Kanten Brot anstehen. Was mache ich hier eigentlich? Es ist schließlich deine Fahrprüfung und nicht meine.« Eine Minute später: »Mir reicht’s. Ich hab die Faxen dicke. Ich warte draußen.« Mit diesen Worten machte er auf dem Absatz kehrt und steuerte den Ausgang an. Bevor ich ihm eine Antwort geben konnte, saß er auch schon auf einer Bank in der Sonne und las die mitgebrachte Zeitung.
Nachdem ich ein paar Minuten angestanden hatte, gab mir eine fettsüchtige Mitarbeiterin eine Nummer. Ich nahm im Wartebereich Platz, in dem hauptsächlich Teenager und Scheintote herumsaßen. Eine halbe Stunde später wurde
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