Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit
Seite und traf Siyo an der Flanke. Erschreckt taumelte das Pferd zur Seite, verlor das Gleichgewicht und rammte eine Büffelkuh. Nicht einmal jetzt empfand Naduah Angst. Ein kurzes Aufkochen ihres Blutes, ein Ruck, der durch ihren Körper ging, und Siyo nahm die Jagd mit angelegten Ohren und gestrecktem Hals wieder auf.
Ihr blieb keine Zeit, Erleichterung zu empfinden. Zwei Tiere hinterein ander brachte sie zu Fall, einen Jährling tötete sie mit einem einzigen Schuss ins Herz. Vier Pfeile erlegten einen Bullen, zwei weitere eine Kuh. Der nächste Büffel starb durch sein eigenes Gewicht, das ihm beim Sturz das Genick brach.
Der Staub war so dicht geworden, dass Naduah nur noch die Tiere in unmittelbarer Nähe erkannte. Blutrot kämpfte sich das Sonnenlicht durch wabernde Schlieren. Die Büffel keuchten, stöhnten und ächzten, wog ten wie Wellen in einem Ozean aus Schlamm. Manche w a ren mit Dutzenden Pfeilen gespickt. Im Nacken eines Bullen steckte eine Lanze. Als der Besitzer der Waffe sein Werk vollenden und ein Pfeil in das Herz des Tieres jagen wollte, rammte der wütende Bulle sein Horn in den Schenkel des Mannes und riss ihn vom Pferd. Ein Meer aus zott i gen Körpern brandete über den Unglücklichen hinweg.
Siyo stürmte weiter. Sieben Tiere tötete Naduah, präzise und schnell, wie Mahto es ihr beigebracht hatte. Als sie auf das Achte zielte, traf sie ein gewaltiger Schlag wie aus dem Nichts. Die Stute krachte zu Boden. Naduah spürte, wie sie durch durch die Luft flog.
Vorbei! Zu Ende!
Ein harter Aufprall. Steine in Ellbogen und Knie. Reißender Schmerz im ganzen Körper.
A lles aus. Gleich würde sie zermalmt werden.
Über ihr drohte ein blut ig er, staubgetränkter Himmel. Nichts passierte. Lebte sie noch? Naduah rappelte sich auf, obwohl der Schmerz ihr die Tr ä nen in die Augen trieb. Siyo stand in unmittelbarer Nähe, schwank te auf vier zitternden, aber unversehrten Beinen.
Nicht nachdenken … einfach aufstehen und weiterreiten.
Der Staub lichtete sich, die größte Masse der Tiere hatte sie passiert.
Naduah blickte an sich h in ab . Ellbogen und Knie bluteten, ihr Stei ß bein schmerzte und ein kleiner, scharfer Stein hatte sich in ihren Han d ballen gebohrt. Ü berwältigt von einem unb e schreiblichen Triumph, pulte sie den Stein aus ihrer Haut, wischte über ihre Kleider und hielt schwer atmend inne. Die Welt bewegte sich wie zähfließender Honig. Sonne n licht ließ die staubgefüllte Luft noch immer orangerot glühen.
Durch dieses gespenstische Licht raste er auf sie zu .
E in gewaltiger, von zwei Pfeilen ve r wundeter Bulle.
Wie gebannt stand Naduah da. Keinen Finger konnte sie rühren, nicht einmal ein Blinzeln bewegte ihre Augen. Sie sah schwarzes, zottiges Fell, spitze Hörner, tropfenden Geifer, vermischt mit Blut. Erde, aufgeworfen von Hufen. Kleine, von Verzweiflung erfüllte Augen, die sie gar nicht hätte sehen können und die doch so deutlich zu erkennen waren. In den Antelope Hills ruhten viele gefallene Jäger unter grasbewachsenen H ü geln. Jedem gab man die Samen einer Birke mit ins Grab. Naduah sah im Geiste, wie man sie in die Erde bettete, einen Hügel aufhäufte und sie dem Lauf der Dinge überließ. Der Baum würde wac h sen , g enährt von ihrem Körper. Nocona würde darunter sitzen und an sie denken, wenn die Sonne hinter den Antelope Hills versank und die Dunkelheit kam.
Der Boden zitterte unter donnernden Hufen. Blut tränkte die Luft. E i ne zweite Gestalt schälte sich aus dem Staub und jagte neben dem Bullen her.
Nocona. Sein Haar wehte im Wind, als er die Lanze zum Stoß erhob. Alles geschah langsam. Unendlich langsam. Ein roter Sonnenstrahl fing sich im Metall der scharfen Klinge.
Diesen Anblick wollte sie mit in die andere Welt nehmen. Menschl i cher Mut, tierische Urgewalt. Für Augenblicke vereint zu einem Anblick berauschender Schönheit . Nocona warf sich vom Pferd, stieß die La n ze auf den Bullen h in ab und trieb sie mit seinem eigenen Gewicht tief in den N a cken des Tieres. Die Vorderläufe des Bisons knickten ein. Durch die Wucht des Sturzes wurde er nach vorn geschleudert, übe r schlug sich und krachte auf die Seite. Keine zwei Schritte von Naduah kam der g e waltige Körper zum Stillstand. Ein letztes Stöhnen, und der Bulle starb zu ihren Füßen.
Reglos lag Nocona im zertrampelten Gras. Naduah sah keine Bew e gung. Kein Lebenszeichen. Doch plötzlich, gerade als sie spürte, wie die Beine unter ihr nachgeben wollten und ein
Weitere Kostenlose Bücher