Nora Roberts
Ihnen?«
Shannon sah ihn mit einem unsicheren Lächeln an. »Nicht daß ich wüßte.«
»Dies ist Shannons erste Irlandreise«, erklärte Brianna, und die Umsitzenden sahen die Fremde mit verständnisvollem Nicken an.
»Ich kenne eine Familie Bodine in Dublin«, sagte ein Mann, der am anderen Ende der Theke saß, mit einer Stimme, deren Krächzen sein Alter verriet. »Vier Brüder, streitlustig wie nur was. Die verrückten Bodines haben wir sie genannt, und irgendwann haben alle vier bei der IRA mitgemacht. Das muß siebenunddreißig gewesen sein.«
»Fünfunddreißig«, verbesserte die Frau, die neben ihm saß, und wandte ihr runzliges Gesicht freundlich Shannon zu. »Mit Paddy Bodine bin ich ein-, zweimal ausgegangen, bis Johnny deshalb eine Schlägerei mit ihm angefangen hat.«
»Ein Mann muß das schützen, was ihm gehört.« Der alte John Conroy nahm die Hand seiner Frau und drückte sie. »In ganz Dublin gab es kein hübscheres Mädchen als Nell O'Brian. Und jetzt gehört sie mir.«
Shannon blickte lächelnd auf das Glas, das Gray ihr gab. Die beiden waren mindestens neunzig Jahre alt, und immer noch hielten sie Händchen und flirteten, als wären sie frisch verliebt.
»Gib mir mal das Baby.« Eine Frau trat aus dem Raum hinter der Theke und wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab. »Ihr setzt euch hübsch gemütlich an einen Tisch«, sagte sie und winkte Brianna fort, »und ich nehme die Kleine mit nach hinten, damit ich sie mal so richtig schön verwöhnen kann.«
Da sie wußte, daß jeder Protest sinnlos war, machte Brianna Shannon mit Tims Frau bekannt, ehe diese mit Kayla im Nebenraum verschwand. »Am besten setzen wir uns tatsächlich an einen Tisch. Sie gibt mir die Kleine bestimmt nicht zurück, bevor wir wieder gehen.«
Shannon drehte sich um und wollte ihr folgen, als sie plötzlich Murphy sah.
Er hatte die ganze Zeit neben dem Kamin gesessen, leise auf einer Ziehharmonika gespielt und sie verstohlen angesehen. Wieder hatte ihr Anblick ihn vollkommen verwirrt, so daß er froh gewesen war, noch einen Moment alleine zu sein, ehe sie mit den anderen in seine Richtung kam.
»Und, machst du heute abend Musik für uns, Murphy?« fragte Brianna und setzte sich auf einen Stuhl.
»Vor allem für mich selbst.« Er war froh, daß seine Finger weniger durcheinander waren als seine Gedanken, als Gray einen Stuhl für Shannon nach hinten zog. Einen Augenblick lang sah er nur den argwöhnischen Blick aus ihrem hellen, klaren Augenpaar. »Hallo, Shannon.«
»Murphy.« Lächerlich, daß es sie störte, daß Gray ihr einen Stuhl zurechtrückte, der sie Ellbogen an Ellbogen neben Murphy sitzen ließ. »Wo haben Sie das denn gelernt?«
»Oh, ich habe es mir im Laufe der Zeit selbst beigebracht.«
»Murphy hat ein natürliches Talent im Umgang mit Instrumenten«, sagte Brianna voller Stolz. »Er kann alles spielen, was du ihm in die Hand gibst.«
»Tatsächlich?« Seine langen Finger fanden sich problemlos auf den zahlreichen Knöpfen des Instruments zurecht, und ganz offensichtlich war ihm die Melodie sehr vertraut, denn statt auf die Tasten blickte er unverwandt auf sie.
»Ein musikalischer Farmer«, murmelte sie.
»Mögen Sie Musik?« fragte er sie.
»Sicher. Wer mag sie nicht?«
Er griff nach seinem Glas und nahm einen Schluck. Wahrscheinlich müßte er sich einfach daran gewöhnen, daß er in ihrer Nähe immer eine trockene Kehle bekam. »Gibt es irgendein Lied, das Ihnen besonders gefällt?«
Sie zuckte mit den Schultern, aber daß er zu spielen aufgehört hatte, fand sie schade. »Ich kenne mich mit irischer Musik nicht besonders aus.«
Gray beugte sich vor. »Bitte ihn bloß nicht um > Danny Boy« < , warnte er im Flüsterton.
Murphy sah ihn grinsend an. »Einmal ein Ami, immer ein Ami«, sagte er und versuchte sich zu entspannen. »Ein Name wie Shannon Bodine, und Sie kennen keine irische Musik?«
»Ich habe immer eine Vorliebe für Percy Sledge und Aretha Franklin gehabt.«
Ohne sie aus den Augen zu lassen, begann er eine neue Melodie, und als sie lachte, grinste er.
»Dies ist das erste Mal, daß ich höre, wie jemand > When a Man Loves a Woman < auf einem Miniakkordeon spielt.«
»Dies ist eine Konzertina.« Als er einen lauten Ruf vernahm, blickte er sich um. »Ah, da ist ja mein bester Freund.«
Der kleine Liam Sweeney kam quer durch den Raum geschossen, kletterte auf seinen Schoß und sah ihn mit großen Augen an. »Bonbon.«
»Willst du etwa, daß mir deine Mum das Fell
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