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Northanger Abbey

Northanger Abbey

Titel: Northanger Abbey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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Angst davor, den General durch ihre Unpünktlichkeit zu verärgern. Ihr Umhang wurde darum mit aller vertretbaren Hast zur Seite geworfen, und sie wollte gerade die Nadeln aus dem Wäschepaket ziehen, das die Kutsche zu ihrem sofortigen Gebrauch befördert hatte, als ihr eine große, hohe Truhe ins Auge fiel, die in einem tiefen Alkoven neben dem Kamin stand. Bei dem Anblick zuckte sie zusammen; sie vergaß alles andere und stand starr vor Verblüffung davor, während ihr diese Gedanken durch den Kopf gingen:
    »Wenn das nicht merkwürdig ist! Mit so etwas habe ich nicht gerechnet! – Eine riesengroße, schwere Truhe! – Was mag nur darinnen sein? – Gegen die Wand geschoben auch noch, als sollte niemand sie erspähen! – Ich will hineinschauen – koste es mich, was es wolle, ich will hineinschauen – und ohne Aufschub – bei Tageslicht. – Wenn ich bis zum Abendwarte, verlischt vielleicht meine Kerze.« Sie ging hin und besah sie sich näher: es war eine Zederntruhe mit seltsamen Intarsien aus einem dunkleren Holz, auf einem verschnörkelten Untersatz gleicher Machart, der sie einen guten Fuß vom Boden abhob. Das Schloß war aus Silber, wenn auch angelaufen vom Alter; an beiden Seiten ragten die Überreste silberner Griffe aus dem Holz, schartig, als hätte ein unerklärlicher Akt der Gewalt sie weggesprengt; und in der Mitte des Deckels prangte ein rätselhaftes Monogramm aus dem gleichen Metall. Gespannt beugte Catherine sich darüber, ohne es freilich so recht entschlüsseln zu können. Aus welcher Richtung sie es auch versuchte, der letzte Buchstabe ließ sich einfach nicht als T deuten; aber daß es in diesem Hause eine andere Initiale sein sollte, war doch ein Umstand, der wundernehmen mußte. Wenn sie nicht ursprünglich aus ihrem Besitz stammte, auf welch mysteriösen Wegen mochte die Truhe dann an die Familie Tilney geraten sein?
    Ihre bange Neugier nahm mit jedem Moment zu; und indem sie mit zitternden Händen nach der Haspe des Schlosses griff, beschloß sie, allen Gefahren zum Trotz, zumindest ihren Inhalt zu erfahren. Unter Mühen – denn etwas schien Widerstand zu leisten – konnte sie den Deckel ein paar Zentimeter emporstemmen; aber im selben Moment ließ ein jähes Klopfen an der Zimmertür sie zusammenschrecken, der Deckel entglitt ihren Fingern und fiel mit bestürzendem Krachen zu. Der ungelegene Eindringling war Miss Tilneys Zofe, von ihrer Herrin gesandt, um Miss Morland zur Hand zu gehen; und obwohl Catherine sie sofort wieder wegschickte, mahnte es sie doch an ihre eigentliche Aufgabe und zwang sie, sich trotz ihrer Ungeduld, das Geheimnis zu lüften, ohne weiteren Verzug fertig anzukleiden. Schnell kam sie nicht voran, denn ihre Gedanken wie auch ihre Blicke wanderten immer wieder zurück zu dem Möbel, das so unvergleichlich dazu angetan war, sie zu fesseln und zu beunruhigen; und auch wenn sie keine Zeit mehr mit einem nächsten Versuch zu vergeudenwagte, konnte sie sich nicht recht von der Truhe losreißen. Als schließlich ein Arm im Ärmel ihres Kleides steckte, schien ihre Toilette ihr der Vollendung so nahe, daß ihre Neugier unbesorgt befriedigt werden konnte. Ein paar Augenblicke ließen sich doch gewißlich erübrigen; und so gewaltig wollte sie all ihre Kräfte anspannen, daß der Deckel, so ihn nicht übernatürliche Mächte an seinem Platz hielten, im Nu auffliegen mußte. In diesem Geist schritt sie zur Tat, und ihre Gewißheit trog sie nicht. Auf ihren entschlossenen Ruck hin gab der Deckel nach, und ihrem ungläubigen Blick bot sich eine Steppdecke aus weißer Baumwolle dar, die säuberlich gefaltet an einem Ende lag, gänzlich unangefochten in ihrem Alleinherrschertum dort drin.
    Sie starrte noch mit dem ersten Erröten der Überraschung darauf hinab, als Miss Tilney ins Zimmer trat, um zu sehen, ob ihre Freundin schon fertig war, und zu der aufsteigenden Scham, über Minuten hin eine absurde Erwartung gehegt zu haben, kam noch die Scham, bei einer so sinnlosen Suche ertappt worden zu sein. »Das ist eine seltsame alte Truhe, nicht wahr?« sagte Miss Tilney, als Catherine sie hastig zuschlug und sich dem Spiegel zuwandte. »Niemand kann genau sagen, seit wie vielen Generationen sie schon hier ist. Wer sie in dieses Zimmer gestellt hat, weiß ich nicht, aber ich habe sie nicht fortschaffen lassen, weil ich dachte, daß man vielleicht einmal Hüte und Hauben darin aufbewahren kann. Sie ist nur dummerweise so schwer, daß man sie kaum aufbekommt. Aber in dem Eck hier

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