Notaufnahme
dem tragischen Tod seiner Frau gegenüber Gemma Dogen genährt hatte. »Nein, ich möchte keine Nachricht hinterlassen. Ich melde mich später noch einmal.«
Ich griff nach meiner Handtasche und stieß zu Mike, der mich am Ausgang erwartete. »Alles klar?« fragte er. »Du siehst aus, als hätte dir gerade jemand einen Kinnhaken verpasst.«
»Komm, wir müssen uns beeilen.« Wir drängten uns in den überfüllten Aufzug, und quetschten uns, unten angekommen, durch die Menschenmengen vor den Abfertigungsschaltern. Vor der Sicherheitskontrolle reihten wir uns in die Schlange ein.
»Was ist los, Blondie?«
Ich nahm mein soeben durchleuchtetes Handgepäck vom Laufband und berichtete Mike auf unserem Weg zum Gate in knappen Worten, was ich wenige Minuten zuvor erfahren hatte.
»Betrachte es als das, was es ist: purer Zufall.«
»Du glaubst doch genauso wenig an Zufall wie ich.«
»Du siehst zu viele Filme, Blondie.« Grinsend schüttelte Chapman den Kopf. »Was stellst du dir denn vor? Dass dein neuer Lover Dogen umgebracht hat? Und dann, einen Tag später, bittet er deine beste Freundin, euch miteinander bekannt zu machen. Du verliebst dich in ihn, ihr schlaft miteinander …«
» Wir haben nicht miteinander geschlafen.«
»Ach was? Habt ihr nicht? Na, kein Wunder, dass er dich noch nicht umgebracht hat. Zuerst will er sehen, wie du im Bett bist, und dann bringt er dich um die Ecke, damit du ihm nicht auf die Schliche kommst.«
»Hört sich ziemlich albern an.«
»Kann man wohl sagen. Deshalb spreche ich aus, was du nur denkst. Glaubst du denn wirklich, dass ein Spitzenanwalt, der vor zwei Jahren seine Frau verloren hat, Dogen mitten in der Nacht in ihrem Büro niedersticht? Und weshalb sollte er dich – mal abgesehen von deinen weiblichen Reizen – unbedingt kennen lernen wollen, bevor er dich um die Ecke bringt, so dass du den Fall nicht mehr lösen kannst? Ich weiß, was du jetzt denkst, aber ich sage dir, dass es Quatsch ist. Vielleicht will er nicht über seine verstorbene Frau sprechen. Vielleicht erinnert er sich nicht mal an Namen der Ärztin.«
»Vielleicht, vielleicht, vielleicht. Ich will die Antworten wissen. Ich hasse Ungewissheiten und seltsame Zufälle.«
»Du hasst alles, was sich deiner Kontrolle entzieht. Jetzt beruhige dich erst mal und vergiss die ganze Sache, bis wir wieder zurück sind.«
Wir waren beinahe am Ende des ewig langen Flurs angekommen, und ich sah, dass die Passagiere an Gate 20 bereits einstiegen. »Geh du vor, Mike, ich versuch’s noch einmal bei Joan. Bitte.«
Ich machte an dem öffentlichen Fernsprecher halt, wählte Joans Nummer und hörte im selben Augenblick den letzten Aufruf für unseren Flug. Mike deutete auf eine Frau – wahrscheinlich eine Flughafenangestellte, die sich um verspätete Passagiere kümmerte. Die letzten Nachzügler zeigten ihre Tickets vor und gingen an Bord. Mike drückte ihr seinen Flugschein in die Hand, drehte sich um und spurtete zurück zu mir, während ich Joan noch einmal anflehte, an den Apparat zu gehen. Aber sie war immer noch nicht zu Hause, und ich bat sie, mich am nächsten Tag in Cliveden anzurufen.
Mike hob meine Handtasche auf, die ich achtlos hatte fallen lassen, packte mich entschlossen am Ellenbogen und schleppte mich zu der Dame vom Bodenpersonal. »Sie will deine Bordkarte sehen.«
Ich reichte sie ihr; sie gab mehrere Nummern in den Computer ein, dann strich sie die Sitzplatznummer durch und trug eine neue ein. Die Bordkarte wanderte hinüber zu ihrer Kollegin, die sich um die Nachzügler kümmerte und uns zu unserer Maschine führte. Doch anstatt uns nach rechts zu leiten, wo sich die Passagiere in der Touristenklasse drängten, winkte sie uns nach links. »Sie sitzen in der ersten Klasse – auf den Plätzen 2A und 2B. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Flug.«
»Ich traue mich kaum zu fragen, wen du dafür bestochen hast. Hast du etwa jemandem deine Polizeimarke unter die Nase gehalten?« Immerhin konnte ich schon wieder lächeln. »Oder hast du eine Stewardess becirct?«
»Du hast ja eine nette Meinung von mir, Blondie. Ich dachte, du würdest dich über die kleine Überraschung freuen. Erinnerst du dich an Charlie Bardong?« Charlie war früher Lieutenant und arbeitete inzwischen als Privatdetektiv. Wir kannten ihn beide gut. »Seine Frau ist beim Special Service der American Airlines. Ich hab’ sie heute Vormittag angerufen, und sie meinte, falls in der ersten Klasse noch Plätze frei seien, wäre das kein
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