Notbremse
Sie nach dem Umsatz fragen.«
»Wie gut kennen Sie die Mitarbeiter dort?«
»Mitarbeiter?« Für einen Moment schien sie verwundert zu sein. »Da gibt es so einen Abteilungsleiter oder wie das bei denen heißt, der für den Außendienst zuständig ist. Der Name fällt mir gerade nicht ein.«
»Und andere Vertreter, die auch für ›Donau Pharma AG‹ tätig sind?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Namentlich nicht. Aber es gibt Meetings – so zwei-, dreimal im Jahr. Motivationstraining nennen sie das.«
»Und wo finden die statt?«
»In Kiefersfelden. Hotel Gruberhof. Schönes Haus übrigens.«
»Kiefersfelden«, überlegte Linkohr. »An der Brennerautobahn kurz vor Kufstein, österreichische Grenze. Wieso denn gerade dort?«
»Weil sie alle inzwischen begeisterte Wasserskiläufer sind. Da gibt’s einen Baggersee mit Schleppanlage.«
Linkohr hatte irgendwann einmal davon gehört, dass Wasserskiläufer solche Anlagen bevorzugten, seit ihnen die Umweltschützer vielerorts verboten hatten, sich von lärmenden Motorbooten ziehen zu lassen. Gesehen hatte er aber noch keine, obwohl es inzwischen in Deutschland, wie er sich erinnerte, mehr als 60 geben sollte.
»Und da treffen sich die Mitarbeiter von ›Donau Pharma AG‹ regelmäßig?«
»Was heißt regelmäßig? Hin und wieder gemeinsam – aber manche haben so viel Spaß daran gefunden, dass sie gelegentlich auch mal allein einen Tag dort verbringen.«
»Sie auch?«
»Ich auch«, kam es selbstbewusst zurück. »Ein unglaubliches Gefühl – vor allem, wenn man mal so weit ist, dass man die erste Runde schafft. Haben Sie’s noch nie probiert?« Sie sah den Kriminalisten an, als ob sie ihm dies ohnehin nicht zutrauen würde.
»Nein, nicht«, gab er kleinlaut zu. »Aber jetzt, wo Sie’s sagen, werd’ ich es bei Gelegenheit mal ausprobieren. Darf ich fragen, wann Sie zuletzt dort waren?«
»Ich weiß zwar nicht, wozu diese Frage gut sein soll – aber wenn Sie’s interessiert: Vorgestern war ich dort.«
Linkohr hatte mit dieser Antwort nicht gerechnet, ließ es sich aber keinesfalls anmerken.
»Vorgestern«, wiederholte er eher beiläufig, um fragend zu ergänzen: »Bis gestern?«
»Nein, aber falls Ihre Frage einen tieferen Sinn haben sollte, wovon ich ausgehe …« Ihre Augen wurden schmal, »… dann sag ich Ihnen, dass ich für gestern ein Alibi habe. Ich hab im Gruberhof in Kiefersfelden übernachtet und war den ganzen Tag über in Österreich. Dort lässt sich nachvollziehen, wen ich aufgesucht habe.«
Linkohr tat so, als würde ihn diese Arroganz nicht beeindrucken. »Ich nehme an, das waren Apotheker und Ärzte.«
»Natürlich.«
»Oder auch andere Unternehmen?« Linkohr fiel diese Frage spontan ein und bemerkte sofort, dass er seine Gesprächspartnerin damit verunsicherte.
»Was heißt andere Unternehmen?«
»Als freie Handelsvertreterin muss man sich doch nicht unbedingt nur auf Pharmazie beschränken – oder sehe ich das falsch?«
Sie zögerte den Bruchteil einer Sekunde. »Nicht nur, das stimmt«, fand sie sofort ihre selbstbewusste Fassung wieder.
»Es kann also sein, dass einer Ihrer Kollegen auch noch mit anderem handelt.« Linkohr stellte dies sachlich fest.
»Davon leben wir. Handel ist unser Geschäft. Provisionen.«
»Und Sie? Sind Sie denn nur auf Pharmazie spezialisiert?«
»Ja«, antwortete sie einsilbig, aber schneller, als es Linkohr erwartet hatte.
»Eine letzte Frage«, entschied er dann. »Kennen Sie einen Herrn Plaschke, Bastian Plaschke?«
»Plaschke?« Ihre Stimme nahm einen seltsam veränderten Ton an. »Plaschke sagen Sie? Nein, nicht, dass ich wüsste. Muss ich ihn denn kennen?«
»Nein, natürlich nicht. Es war nur so eine Frage.«
»Wer ist denn dieser Plaschke?«
»Ein Mitarbeiter von ›Donau Pharma AG‹.«
»Tut mir leid, aber ich kenne dort, wie ich Ihnen bereits gesagt habe, nur wenige.«
»Er war also nicht bei diesen Meetings mit dabei?«
»Nein. Das heißt, ich kann es nicht sagen. Wieso ist denn das so wichtig für Sie? Was hat es mit diesem Mann auf sich?«
»Er ist der zweite Tote in diesem Fall.«
Sie holte tief Luft und schwieg. Während sie zu ihrem Aktenkoffer griff, den sie links neben ihren Stuhl gestellt hatte, fiel Linkohr noch etwas ein: »Jetzt hab ich doch noch eine Frage. Wenn größere Mengen Medikamente bestellt werden, wie werden die angeliefert?«
Sie hielt in der Bewegung nach ihrem Koffer inne. »Von Kurierfahrern. Mit Lieferwagen«, sagte sie verständnislos. »Das
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