Notrufsender Gorsskij
schrie dieses Wort in fassungslosem Entsetzen gegen das Aufnahmemikrophon des Sup-Ultra-Visiphons. Es arbeitete auf der nach wie vor geheimen GWA-Frequenz und konnte auch mit marsianischen Geräten nicht abgehört werden.
Am Apparat war Oberst Imman, Kommandeur unseres speziellen Radiosatelliten SCOUT I, der außer seinen wichtigen Kommunikationsaufgaben zum Mond, Mars und unseren Fernraumschiffen auch damit beauftragt war, »ein Auge« auf die Geschehnisse jenseits der dichten Erdatmosphäre zu werfen.
Schlechthin gesagt, war er nicht mehr als ein Spionagesatellit, den die GWA bereits vor zwanzig Jahren erbaut und bemannt hatte.
Ich hörte nicht mehr auf das dumpfe Donnern der Plasmastrahltriebwerke unseres Höhenbombers, der uns möglichst unbeschadet nach Sibirien bringen sollte. Reling hatte uns überredet, doch in den Einsatz zu gehen. Wir sollten die Mutanten finden und unschädlich machen.
Immans Nachricht, unter höchster Dringlichkeitsstufe durchgegeben, war weltbewegend.
»Was haben die Russen gemacht?« stöhnte ich, noch immer völlig verstört. »Das darf doch nicht wahr sein! Imman – so reden Sie doch. Stehen Sie auch genau über dem Sektor?«
»Nicht über dem Punkt, aber genau genug, um jedes Detail beobachten zu können«, dröhnte es aus dem Gerät.
»Es stimmt, Sir, ein Zweifel ist unmöglich. Dazu braucht man nicht einmal Meßgeräte. Die Russen haben vor wenigen Minuten eine überschwere H-Bombe hochgehen lassen. Die Energieentwicklung betrug nach unseren vorläufigen Auswertungen mindestens zweitausend Megatonnen, identisch mit zwei Gigatonnen TNT. Das ist die schwerste Ladung, die seit der Unglücksexplosion von 1991 jemals in Sibirien gezündet wurde. Sind die Kerle verrückt geworden? Wir haben schließlich einen Atomstopp. Sie verseuchen nicht nur Nordostsibirien, sondern einen großen Teil der oberen Atmosphäre. Es dürfte bald wieder losgehen mit besch… Wintern, in denen statt Schnee warmer Regen vom Himmel rauscht. Hallo, Sir …, fehlt Ihnen etwas?«
Mir schwindelte. Hannibal sagte überhaupt nichts. Er saß verkrampft neben mir und umklammerte mit seinen Händen den wenig komfortablen Notsitz, denn Orbitbomber der Strategischen Raumflotte waren nicht für den Passagiertransport vorgesehen.
»Imman, hören Sie noch?«
»Ich kann Sie noch knapp zehn Minuten empfangen. Wir hängen auf einer Zweistunden-Orbitbahn von Pol zu Pol. Beim nächsten Umlauf komme ich infolge der Erdrotation noch dichter an die Explosionszone heran. Das dauert aber noch gute …«
»Unwichtig«, unterbrach ich ihn. »Imman, wo ist die Bombe hochgegangen? Ich brauche exakte Angaben.«
»Können Sie haben, Sir. Der Punkt Null liegt über der seinerzeit zerstörten Industriestadt Jakuttorg. Nun sind die Atomruinen nochmals umgegraben worden, diesmal aber gründlichst. Brauchen Sie genaue Angaben über Länge und Breite?«
»Nein«, lehnte ich verstört ab, »ich kenne die Gegend. Das liegt am westlichen Rande der mittleren sibirischen Hochebene, exakt im Dreieck zwischen Lena und dem großen Nebenfluß Wiljuj, nicht wahr?«
»Stimmt, Sir. Östlich der Lena und nördlich des Wiljuj. Ich habe das Gebiet in den optischen Ferntastern.«
»Einzelheiten?«
Er lachte stoßartig auf.
»Sir, was sollen wir nach der Reaktion von zweitausend Megatonnen noch an Einzelheiten finden? Ein gigantischer Feuerball ist zu sehen. Aus ihm schießt die größte Pilzsäule hervor, die ich vom Raum aus jemals beobachtet habe. Und – der Teufel soll’s holen – ich habe verdammt viele gesehen. Das gesamte Katastrophengebiet von damals ist erneut erfaßt worden.
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