Notrufsender Gorsskij
über die ausgedehnten Bunkerbauten des Vorwerkes wiesen nicht nur sechs ausfahrbare Waffenkuppeln mit Schnellfeuergeschützen und Flammenwerfern aus, sondern überdies eine bunkerinterne Hauptschaltzentrale, die Tag und Nacht besetzt gewesen war. Dort hatten sich in der Regel zirka zwanzig Mann unter Leitung eines Wachoffiziers aufzuhalten.
Die stählernen Panzerkuppeln wurden fernsteuertechnisch bedient. Sie waren also unbemannt gewesen. In der Hinsicht war der Fall klar. Mich störte es nur, daß der russische Geheimdienst niemals etwas von der Wachbesatzung gehört hatte.
Die Männer waren vorzüglich ausgebildet und hervorragend ausgerüstet gewesen.
Sie verfügten über einen hochmodernen Fahrzeugpark und weitreichende Funkgeräte, die einen Kontakt mit den damals schon existierenden russischen Raumstationen zuließen. Warum hatten sie sich niemals gemeldet und um Hilfe gebeten?
Warum waren sie nicht mit ihren staubdicht schließenden Panzern durch die Todeszone vorgestoßen, um jenseits der Hölle nach Menschen zu suchen? Das wäre eine Kleinigkeit gewesen!
Die Panzer waren in einer großen Bunkergarage untergebracht gewesen. Dort standen auch immer einige Hub- und Flugschrauber, deren Motoren die verseuchte Luft wirklich nichts ausgemacht hätte.
Karenin hatte bei einer entsprechenden Bemerkung trocken aufgelacht. Er schien das felsenfest zu glauben, was ich nur mit einem unguten Gefühl befürchtete.
Konnte es wirklich sein, daß der von der Staatspolizei verfolgte Atomphysiker die günstige Gelegenheit rücksichtslos ausgenutzt hatte? Hatte er die zwanzig Mann der unterirdischen Besatzung erschossen? Wenn ja – woher hatte er die erforderlichen Waffen genommen? Außerdem: Zwanzig Elitesoldaten ließen sich nicht ohne Gegenwehr von einem Hitzkopf erschießen.
»Es sei denn, die Verwirrung war so groß, daß es eine Kleinigkeit gewesen ist«, hatte Karenin darauf geantwortet.
Jedenfalls war mir unterdessen klargeworden, daß die Kinder eines solchen Menschen wahrscheinlich als Anarchisten erzogen worden waren. Ihre späteren Untaten waren kein Rätsel mehr. Sie hatten gar nicht anders werden können; nicht bei solchen Eltern!
Das Heulen der Gasturbinen mäßigte sich. Der Sergeant, der den Mannschaftspanzer fuhr, hielt hinter einem blankgefegten Hügel an und drehte sich fragend um.
»Bis hierhin und nicht weiter«, entschied ich. »Den Rest marschieren wir. Achten Sie auf Ihre Deckung. Die beiden Mediziner bleiben hier. Beobachten Sie Ihre Instrumente. Ich möchte nicht, daß sie radioaktiv zu strahlen beginnen. Auf keinen Fall die Schutzhelme anlüften. Ein Atemzug bringt den Tod. Die Luft ist voll mit betastrahlenden Mikropartikeln. Der Fallout wird noch Monate dauern. Samy, Sie übernehmen hier das Kommando. Verzichten Sie auf Funksprüche, bis sich jemand von uns gemeldet hat.«
Ich schaute nach vorn und entdeckte drei große Bunkerbauten. Sie ragten knapp zehn Meter über den Boden empor. Der Rest steckte tief im Erdreich.
Hier wurden nicht nur die Kernbrennstoffe für das nahe Atomkraftwerk gelagert, sondern auch die Uranausbeute der vielen Bergwerke. Im Jahre 1991 war die kalte Kernfusion zwar schon bekannt, aber in größerem Umfang noch nicht technisch nutzbar gewesen. Man arbeitete damals überwiegend mit Spaltstoff-Meilern.
Wir huschten, so schnell es ging, in einem tiefen, grabenähnlichen Einschnitt nach vorn. Es dauerte einige Zeit, bis ich bemerkte, daß wir uns in einem Bachbett bewegten.
Das Wasser war verdunstet; der Boden steinhart und verkrustet. Wir kamen rasch und vor allem
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