Notrufsender Gorsskij
Krüppelgewächsen der Taiga sehen. Wahrscheinlich drückten bereits etliche Beobachter auf die Alarmknöpfe.
Dann war es elf Uhr sechsundvierzig.
Wenige Sekunden später explodierte der mächtige Raketensprengkopf eines Kampfgeschosses, das eigentlich erst im freien Raum zwischen Erde und Mond ferngezündet werden sollte. Niemand hatte jemals genau ermitteln können, welche Schaltfehler zu der Katastrophe geführt hatten. Es mußte sich um eine Verkettung von mehreren unglücklichen Zufälligkeiten gehandelt haben.
Den weit über uns aufzuckenden Glutball gewahrten wir nur auf den Bildschirmen der Marsortung. Sie war so phantastisch durchkonstruiert, daß die damit verbundenen Automatrechner die Ursache der grellen Leuchterscheinung blitzartig erkannten und die Helligkeit drosselten.
Filter auf Filter wurde vorgeschoben. Trotzdem blieb der immer größer werdende Feuerball von schmerzhafter Helligkeit.
Schließlich wurde er zu einer künstlichen Sonne – und dann zuckte die Vernichtung auf den Erdboden hinab.
Die Detonationshöhe betrug knapp einundzwanzig Kilometer. Höher war die dreistufige Rakete infolge des naheliegenden Startplatzes noch nicht gewesen.
Einundzwanzig Kilometer galten nicht als ideale Zündhöhe, aber das traf mehr für Bomben normalen Kalibers zu.
Mit dieser Waffe wollten die Russen ihre erste Kohlenstoffbombe testen, die C-Bombe. Sie war Ende der neunziger Jahre bei den Militärs groß in Mode gewesen, bis man später bemerkt hatte, daß die grauenhafte Vernichtungsstrahlung des C-Mantels nicht intensiver töten und zerstören konnte als die normale Flut aus Feuer, Hitze, Gamma und Druckwellen. Das wurde auch von einer H- Bombe in ausreichendem Maße erzeugt.
Der »Punkt Null«, die Zone der totalen Primärvernichtung, lag siebzig Kilometer weiter östlich. Wir befanden uns in den Randgebieten.
Trotzdem fegte eine überaus heftige, rotglühende Druckwelle über dieses Land hinweg, die jedes Lebewesen, egal ob Mensch, Tier oder Pflanze, augenblicklich vernichtete oder schwer schädigte.
Der kochendheiße Orkan tobte sogar hier noch mit derartiger Gewalt, daß es ringsumher plötzlich keine Vegetation mehr gab.
Ich erblickte auf den Bildschirmen der Außenbordbeobachtung lichterloh brennende Bäume und Bruchstücke jeder Art. Sie rasten mit hoher Geschwindigkeit davon, um schließlich weit in den Himmel gerissen oder hundert Kilometer vom Ort des Grauens entfernt abgeregnet zu werden.
Erst danach kam der Schall. Er war so laut, daß uns beinahe die Trommelfelle platzten, obwohl wir Ohrenschützer angelegt hatten.
Eine zweite und dritte Druckwelle, nicht mehr ganz so heiß wie die erste, vollendeten das Werk der totalen Zerstörung.
Sekunden später begannen unsere Gamma- und Betazähler zu rasen. »Ticken« konnte man zu diesem schrillen Pfeifgeräusch nicht mehr sagen.
Am Horizont wurde ein ungeheurer, feuerdurchlohter Atompilz erkennbar. Er wurde von zahllosen Tonnen hochgerissener und glutflüssig gewordener Materie begleitet.
Das war das Ende für die neuen und überwiegend geheimen Industrieanlagen im großen Dreieck zwischen Lena und Wiljuj.
Es dauerte einige Zeit, bis das Grollen verstummte und die heftigen Bodenerschütterungen nachließen.
Der Pilz stand noch lange am Himmel, dann verwehte er allmählich mit den plötzlich aufgekommenen Orkanwinden.
Der Zeitdeformator hatte die Katastrophe so mühelos überstanden, wie das für marsianische Erzeugnisse selbstverständlich zu sein schien. Es waren
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