Nottingham Castle, letzte Tuer links
zwar keine Ahnung, wovon du sprichst, aber ich verstehe, dass du mich
angelogen hast. Ebenso wie meine Mutter es zu tun pflegte. Ich denke, ihr beide
werdet euch prächtig verstehen.”
Sie
fuhr herum, sah ihn mitten im Raum stehen, drohend, mit wildem Blick. Ihr
Herzschlag setzte aus.
„Wache!”,
rief er laut, „nehmt dieses Weib und werft es in den Kerker. In die Zelle von
Lady Nottingham.”
Dann
drehte er sich um und ging zurück in sein Schlafgemach, ohne sie noch einmal
anzusehen.
Susannah
rang nach Luft. Den Kerker?
Das
Blut rauschte in ihren Ohren und ihre Beine gaben nach. Doch bevor sie
endgültig den Halt verlor, packten sie vier derbe Arme und schleppten sie nach draußen
in den Gang.
„So
Liebchen”, raunte ihr einer der Soldaten ins Ohr, „hat es sich ausgespielt für
dich? War auch nur eine Frage der Zeit. So lange wie dich hat er noch nie eine
in seinem Bett geduldet.”
Das
musste ein Albtraum sein, aus dem sie gleich erwachen würde. Es konnte nicht
die Realität sein, er würde sie doch nicht in den Kerker sperren lassen! Nicht
nach allem, was sie für ihn getan hatte!
Susannahs
Kopf weigerte sich, die grausame Wahrheit zuzulassen. Aber die Wachen rechts
und links neben ihr waren echt. Sie schleiften sie mit sich fort, durch endlose
Gänge, steile Treppen und feuchte Gewölbe. Auch als sie stolperte, packten sie
sie an den Armen und zogen sie weiter mit sich durch die Burg. Sie nahm alles
nur durch einen milchigen Schleier wahr.
Ein
Schlüssel drehte sich quietschend herum, es wurde finster und roch nach Fäulnis
und Verwesung, sodass Susannah sich fast übergeben musste. Ein finsterer Gang
lag vor ihr, Stimmen drangen heraus, als man sie wie ein Stück Vieh
hindurchtrieb. Eine Maus lief schnell wie ein Schatten an der Wand entlang und
verschwand in einer finsteren Ecke.
„Das
ist doch die Hebamme”, hörte sie von irgendwoher. Offenbar waren auch die
Dörfler hier in diesen feuchten Gewölben eingeschlossen.
Susannah
antwortete nicht.
Noch
ein Schloss, ein massiger Balken vor einem Holzverschlag, die Tür wurde
geöffnet. Jemand gab ihr einen Stoß und sie stolperte hinein, direkt Lady
Nottingham vor die Füße, die inmitten in diesem Kellerloch in ihrem rollenden
Gefährt thronte.
Als
diese die verhasste Hebamme erkannte, spuckte sie als Erstes neben Susannah auf
den Boden.
10 Der Kerker
Eadric
sah noch immer ihre Augen vor sich, dunkel und schimmernd. Das ungläubige
Entsetzen, als er sie hatte abführen lassen. Auf ihn waren sie gerichtet
gewesen, nur auf ihn, so als hätte sie die beiden Soldaten überhaupt nicht
wahrgenommen, die sie grob an den Armen gepackt und nach draußen geschleift
hatten. Nur auf ihn.
Er
goss Wasser in die Waschschüssel, mit einer so ruckartigen Bewegung, dass es an
allen Seiten über den Rand schwappte und den Tisch überschwemmte. Es war völlig
egal. Mit beiden Händen fasste er ins kalte Wasser, beugte sich über die
Schüssel und spritzte sich Gesicht und Brust nass. Nahm den Bimsstein und rieb
sich wie wild am ganzen Körper damit ab. Wieder das kalte Nass, mit beiden
Händen herausgeschaufelt, nachgegossen aus dem Krug, dann noch mehr davon
seinem Gesicht und Leib entgegengeschüttet, bis der ganze Boden unter Wasser
stand.
Doch
ihren Blick, den konnte er nicht abwaschen, der hatte sich eingebrannt in seine
Augen und seine Seele. Genau wie seine Ohren immer noch ihre Stimme hörten, kalt
und hart, wie er sie nie vernommen hatte in all den Wochen.
„Ich
habe dir nur gesagt, was du hören wolltest. Sonst war da nichts, überhaupt
nichts.”
Die
Worte hallten im Raum nach, als wären sie in sämtliche Ritzen gekrochen, nur um
von dort auf immer und ewig auf ihn niederzuprasseln. Ihn auszulachen, den
Narren, der ihr geglaubt hatte.
„Nichts
war echt.”
Er
nahm einen rauen Lappen, rubbelte sich trocken, rieb und rieb, bis seine Haut
ganz rot war, doch es gelang ihm nicht, seinen Körper auch nur im Mindesten zu
spüren. Alles, was er fühlen konnte, war der stechende Schmerz in seiner Brust,
wenn die Stimme sich wieder grausam erhob.
„Nichts
war echt.”
Wahllos
holte er Kleidung aus dem Schrank und zog sich an. Dann setzte er sich auf das
Bett, jenes Bett, in dem sie mit ihm gelegen hatte. Wenn er das Laken vom Boden
aufhob, würde er sicher noch ihren Geruch darin finden. Er konnte sich nur
mühsam davon abhalten, das Bettzeug ans Gesicht zu reißen und sich noch ein
einziges Mal in ihren Duft zu versenken. Stattdessen
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