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Nr. 799 (German Edition)

Nr. 799 (German Edition)

Titel: Nr. 799 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yuna Stern
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rasende Sekretärin erzählt hat, wie ich das Fräulein Ingwer eingesperrt habe und abgehauen bin. Danach ...«, er warf mir einen amüsierten Blick zu, »als ich nett zu dir war, hast du natürlich sofort das Interesse verloren. So sind Mädchen nun mal.«
    »Jetzt halt mal den Rand«, widersprach ich empört. »Das stimmt überhaupt nicht.«
    Er zuckte mit den Schultern und wandte sich wieder der Suche nach einem geeigneten Kapuzenumhang zu. »Das war nur mein Eindruck«, sagte er. Seine Mundwinkel zuckten spöttisch.
    Ich schüttelte den Kopf und murmelte: »Unfassbar.« Dann erklärte ich ihm prompt: »Also, so war es ganz sicher nicht.«
    Er warf mir wieder einen gespielt überraschten Blick zu. »Ach, bedeutet das etwa, dass du doch Interesse an mir hast?«
    »Du, du«, stotterte ich, »du drehst mir die Worte im Mund um.« Ich lief einige Schritte weiter und drehte mich wieder zu ihm um. »Und du weißt, dass das sowieso nicht geht.«
    »Nicht geht?« Er runzelte die Stirn. »Also bei mir geht alles noch, da sei dir bitte sicher.«
    Damit verschlug er mir die Sprache. Ich spürte, wie die Röte in meinem Gesicht nun auch auf meinen Hals wanderte. »Das meinte ich nicht«, brummte ich leise. »So was ist hier verboten.«
    Er sah nicht mehr auf die Kleiderständer, riss einfach wahllos einen Umhang vom Kleiderbügel und trat zielstrebig auf mich zu. Ich wollte einen Schritt zurückgehen, weil er mir plötzlich wieder zu nahe war. Doch meine Beine rührten sich nicht vom Fleck.
    Blöde Beine.
    Er sah sich kurz in der Halle um, doch wir standen in einer abgelegenen Ecke, wo uns niemand bemerkte. Alle waren beschäftigt damit, sich Klamotten für ihre erste Überführung auszusuchen.
    Dann griff er nach meiner Hand und raunte: »Hanna, sie können uns verbieten, was sie wollen. Aber ich lasse mir nichts verbieten, was ich unbedingt will.«
    Unbedingt . Was für ein schönes Wort, dachte ich plötzlich. Unbedingt.
    Als er meine Hand wieder losließ und zurück in die Menge lief, wollte ich ihm irgendetwas nachrufen. Doch irgendwie fiel mir nichts ein. Und ich wusste nicht, wie ich auf seine Worte reagieren sollte.
    Es ist verboten , flüsterte eine Stimme in meinem Kopf, die ganz nach Nummer Siebenhundertneunundneunzig klang, meiner Hülle. Aber irgendwo da drin vermutete ich Hanna M., und die flüsterte mir gerade zu, dass sie diesen Jungen dort genauso unbedingt wollte. Und dass sie so etwas wie bei ihm noch nie zuvor gefühlt hatte. Noch nicht einmal bei dem Jungen, dessen Initialen sie tatsächlich auf ihrer Schulter trug, wie sie feststellen musste.
    Unsere erste eigene Überführung fand im Klassenzimmer XY2 von Nummer Fünf statt. Wir trugen alle unsere ausgewählten Kapuzenumhänge, die uns wie eine abgedrehte Sekte aussehen ließen. Ein Meer von schwarzen Stoffen, das sich bewegte.
    »Müssen wir nicht wieder in den Wald dafür?«, erhob Achilles mutig die Stimme.
    Charles Dumpfbacke, wie ich den Ausbilder dank Doktor Aurelian P.s Anregung insgeheim nannte, drehte sich grinsend zu uns um. Er fuhr sich durch seine schulterlangen Haare und kam einen Schritt in unsere Richtung.
    »Natürlich nicht, das letzte Mal sollte nur einen schönen Eindruck für euch hinterlassen. Wenn ihr diese Worte sprecht, werdet ihr eure Aufgabe auch so ausführen können. Denn die Erde seid ihr. Aus der Erde seid ihr gestiegen.«
    Achilles nickte begeistert.
    »So.« Charles Dumpfbacke klopfte mit seiner Faust gegen die Tafel. Dort hatte er das merkwürdige Gedicht aufgeschrieben, das die rothaarige Überführerin beim letzten Mal aufgesagt hatte. »Diese Worte müsst ihr nun gemeinsam wiederholen. Und ihr müsst euch konzentrieren. Sonst klappt es nicht.«
    Wir begannen das Ich-chic-Gedicht zusammen aufzusagen, ich musste mich zusammenreißen, um bei dem Wirrwarr nicht aufzulachen. Wir waren beim zweiten Durchgang, als der Ausbilder vor der ersten Reihe anhielt und seine Hand hob, damit wir wieder schwiegen.
    »Na, Pudelfrau, erinnerst du dich nun an deine Nummer?«
    Die Seniorin nickte und warf einen schnellen Blick auf ihre Handfläche, wo sie die Nummer ganz klar aufgeschrieben hatte. Dann hielt sie die Augen zu und sagte hastig: »Nummer Sibnhaeinactzig.«
    »Wie bitte?« Charles Dumpfbacke hielt sich theatralisch die Hand ans linke Ohr. »Ich habe es nicht richtig verstanden.«
    Rosalinde atmete tief ein und wiederholte diesmal langsamer: »Num-mer Sie-ben-hun-dert-ein-und-acht-zig.«
    »Perfekt.« Der Ausbilder wirkte fast

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