Nuerburghoelle
Stück des gedeckten Apfelkuchens zum Mund führte. »Im Ernst, was raten Sie mir?«
Böhnke lehnte sich in seinen Stuhl zurück und gähnte. »Viel raten kann ich Ihnen leider nicht. Passen Sie auf sich auf und versuchen Sie, den vermeintlichen zweiten Attentäter ausfindig zu machen.«
»Und Sie helfen mir bei der Suche?«
Böhnke hatte befürchtet, dass der Journalist ihn nach seiner Unterstützung noch mehr in seine verzwickte Situation einspannen wollte. Hätte er sich doch besser etwas bei seinem Ratschlag zurückgehalten, schimpfte er mit sich. Aber jetzt konnte er wohl nicht mehr zurück.
»Soweit es in meinen Kräften steht, werde ich Sie selbstverständlich unterstützen. Herr Bahn. Das ist doch Ehrensache.«
Er war froh, allein nach Huppenbroich zurückgehen zu können. Bahns Angebot, ihn im Wagen zum Hühnerstall zu bringen, hatte er dankend abgelehnt. Er musste nachdenken, und das konnte er immer noch am besten, wenn ihn niemand und nichts störte oder ablenkte. Am Forsthaus vorbei schritt er die einsame Straße bergab ins Tiefenbachtal.
Jugendliche auf Fahrrädern sausten an ihm vorbei. Sie wollten wohl, so vermutete er, zum Jugendzeltplatz Mariagrube der Pfadfinderschaft St. Georg unten im Tal. Sie wollten bestimmt feiern, Spaß haben. Er aber? Er stolperte schwerkrank auf einer Straße einen Berg hinunter und machte sich das Leben noch schwerer und mühseliger, als es schon für ihn war.
Warum nur ließ er sich auf die Geschichte mit Bahn ein? Warum nicht?, stellte er sich selbst die Gegenfrage. Es würde nicht schaden, ein wenig Abwechslung zu haben, obwohl er nicht unbedingt über Langeweile klagen konnte. Am Haus, an den Hochbeeten und am Rasen gab es eigentlich genug zu tun. Aber das waren Arbeiten, die er lieber auf die lange Bank schob, bis ein anderer sie erledigte.
Bahn hatte ihn bisher beschäftigt. Also sollte er ihn noch weiter beschäftigen. Erneut dachte er darüber nach, ob es tatsächlich bei dem Autorennen einen Anschlag gegeben hatte oder nicht. Und wenn er einen Anschlag unterstellte, blieb noch die Frage, ob der tatsächlich Bahn gegolten hatte, wie der Journalist glauben wollte. Sprach nicht auch weniger dafür, dass das bedauernswerte Todesopfer oder Wilfried alias Siggi das eigentliche Ziel des Anschlags waren? Und konnte er denn sicher sein, dass dieser mögliche Anschlag auf dem Nürburgring tatsächlich von dem Täter verursacht wurde, der Bahn zusammengeschlagen hatte? Vielleicht nutzte auch nur jemand die entstandene Situation aus. Eventuell als Trittbrettfahrer, der über das Internet mitbekommen hatte, dass Bahn im Wagen 472 gesessen hatte, und der nun sein eigenes Spiel trieb.
Keine Erklärung hatte Böhnke dafür, dass sich ihm immer wieder der Name Krupp aufdrängte. Mischte der nette sympathische Journalist aus dem Kreis Heinsberg etwa seine eigenen Karten?
Das Handy vibrierte in seiner Hosentasche. Aber es kam nicht dazu, den Radetzkymarsch anzustimmen. Als Böhnke es endlich ans Tageslicht gezerrt hatte, befand er sich bereits in einem Funkloch unten im Tal. Ich muss mir angewöhnen, stehen zu bleiben, wenn das Ding sich meldet, statt weiterzugehen, sagte er sich zum x-ten Mal, weil ihm das Missgeschick bei seinen Spaziergängen rund um Huppenbroich schon mehrmals passiert war. Andererseits, so witzelte er bei sich, handelte es sich ja um ein Mobiltelefon, dann sollte es auch mobil sein.
Er versuchte wieder, sich auf Bahns Dilemma zu konzentrieren. Er würde die für ihn einfachste Variante wählen, schlug sich Böhnke selbst laut vor: »Ich gehe davon aus, dass es auf dem Nürburgring einen Attentäter gegeben hat, der jetzt versucht, Bahn auszuschalten. Wer immer das auch sein sollte. Sollte sich der Fall anders entwickeln, egal, in welche Richtung, kann ich immer noch auf eine andere Theorie umschwenken.«
Verwundert schaute Böhnke sich um. Er befand sich bereits vor dem Hühnerstall. Bei seiner konzentrierten Denkarbeit hatte er den Weg hinauf zur Kapellenstraße mechanisch zurückgelegt und war, wie er zugleich erfreut feststellte, nicht einmal erschöpft.
Sollte ich öfters machen, schlug er sich vor, einfach denken, dann geht das Laufen ohne Schnaufen.
Wieder machte sich das mobile Telefon bemerkbar, just in dem Moment, in dem Böhnke die Haustür aufschloss. Das Display zeigte weder einen Namen noch eine Nummer an, sondern meldete einen unbekannten Anrufer.
Der hat die Rufnummer unterdrückt, registrierte Böhnke, der sich zunächst langsam
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