Nuerburghoelle
wir die Reihenfolge geändert. Bert ist gestartet und ich sollte den dritten Turn übernehmen. Die Rennleitung hat unseren Wechsel nicht mitbekommen. Deshalb war die Starterliste auch nicht aktualisiert. Niemand wusste, dass mein Bruder fuhr. Alle mussten glauben, dass ich auf der Strecke wäre. Na ja«, er stierte traurig in die braune Brühe, die Böhnke nur schwerlich an Kaffee erinnerte.
»Jetzt ist Bert tot und ich lebe.«
»Was wollen Sie jetzt machen?«, fragte Böhnke nach einer kurzen Pause, die er anstandshalber eingehalten hatte.
Theberath langte nach einem Schild in einem Regal hinter sich. »Wegen Trauerfall bis auf Weiteres geschlossen«, las Böhnke laut.
»Es muss eigentlich ›auf Dauer‹ heißen«, fuhr Theberath leise fort. »Ohne Bert habe ich keine Lust mehr. Und Lissi, meine Schwägerin, will auch nicht mehr mitmachen.« Er lächelte verkniffen. »Braucht sie ja auch nicht. Sie hat ja die eine Hälfte vom Haus und eine üppige Lebensversicherung. Da hat sie ausgesorgt.« Beschwichtigend hob er die Hände, wobei ihm beinahe der Kaffee aus dem Becher schwappte. »Nicht, dass Sie die falschen Schlüsse ziehen. Lissi ist in Ordnung. Aber sie hat jetzt keine Kraft mehr und nach Berts Tod die Lust für den Betrieb verloren. Und was dann wird.« Theberath sah Böhnke mit betrübtem Blick an. »Ich weiß es nicht.«
Böhnke beobachtete den Mann, der aus der Nähe weitaus älter aussah, als er nach dem Bild war. Jetzt erschien er ihm eher Mitte 40 und nicht Mitte 30 zu sein, ein gebrochener, trauernder Mann in einem adretten, blauen Arbeitskittel.
Böhnke wollte die Unterbrechung nicht zu lange dauern lassen. Solange Theberath redete, bekam er Auskünfte. Sie zu gewichten oder zu ordnen, das würde er später in aller Ruhe bei einem Spaziergang in Huppenbroich machen.
»Sie sprachen davon, dass Sie der dritte Fahrer sein wollten. Wer sollte denn der zweite sein?«
»Na, wer schon? Wolle, unser Mitarbeiter, natürlich. Wir bilden schon seit ein paar Jahren ein eingespieltes Team.«
»Und wo ist Wolle jetzt?«
Theberath zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Er ist nach den Betriebsferien nicht zurück in der Werkstatt gekommen. Er hat sich nicht gemeldet und hat auch nicht gekündigt. Keine Ahnung, wo der steckt. Dabei ist er normalerweise sehr pünktlich und gewissenhaft. Ich befürchte, es ist ihm im Urlaub etwas zugestoßen.«
»Wo Wolle seinen Urlaub verbringen wollte, wissen Sie nicht?«
»Er fährt immer auf gut Glück los und bleibt dort, wo es ihm gefällt, für ein paar Tage, ehe er weiterfährt. So war es jedenfalls bisher.«
Zaghaft klopfte es an der Tür. Böhnke erblickte eine junge Frau, die, dunkel gekleidet, in das Büro eintrat.
»Entschuldigung. Ich wollte nicht stören«, sagte sie mit tonloser Stimme. Sie wirkte abwesend und schien Böhnke gar nicht wahrzunehmen. »Ich habe nur einen Anruf von Zickmann bekommen. Er wollte wissen, ob du ihm die Werkstatt verkaufen würdest. Ich habe ihm gesagt, dass du zurückrufst.«
Böhnke war es fast schon peinlich, in diese private Szenerie hineingeraten zu sein. Er räusperte sich. »Ich glaube, es ist besser, wenn ich jetzt gehe.« Er reichte Theberath die Hand. »Wenn es Ihnen recht ist, werde ich mich um den Unfall oder den Nicht-Unfall Ihres Bruders kümmern.«
»Sind Sie von der Polizei?«, fragte die Frau erschrocken.
»Nein. Nicht mehr. Ich war einmal bei der Polizei, bin aber längst im Ruhestand. Ihr Schwager hat mir einige Hinweise gegeben, die mich nachdenklich haben werden lassen. Und ich möchte der Sache auf den Grund gehen.«
»Gerne«, sagte Theberath schnell. »Ich habe nichts dagegen. Im Gegenteil. Es ist gut, wenn die Wahrheit ans Licht kommt.«
»So wie in Spa bei Bellof?«
Theberath stutzte. »Ich möchte nicht wissen, was Sie damit meinen. Da will ich mir den Mund nicht verbrennen. Wissen Sie, welchen Spruch man sagt wegen dieses Unfalls: Das war nix, das ist ein Satz mit X.«
Nun musste Böhnke einräumen, dass er rein gar nichts verstand.
»Macht nichts. Das ändert nichts am Tod von Bellof in Spa und am Tod meines Bruders auf dem Ring. Die Wahrheit ist schwer herauszufinden.« Er begleitete Böhnke zum Polo.
»Übrigens«, Böhnke wandte sich noch einmal um, nachdem er die Autotür aufgeschlossen hatte, »könnten Sie anhand des Autokennzeichens prüfen, wem der Wagen gehört?«
Theberath schien nachzudenken, während er den Polo umrundete. »Im Prinzip kein Problem«, sagte er
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