Nur dein Leben
gesehen, wenn er auf einen kurzen Höflichkeitsbesuch vorbeischaute. Drei Paare in verschiedenen Stadien konnten sich jederzeit auf dem Schiff aufhalten.
Das ergab grob gerechnet neununddreißigtausendneunhundert Dollar pro Tag an Einnahmen. Damit konnte Dettore unmöglich seine Kosten decken, geschweige denn einen Profit machen.
Warum nicht? Wenn Gewinn nicht sein Ziel war, was dann?
»John!«
Er blickte zu Naomi, die ihn aus seinen Gedanken gerissen hatte. »Was ist?«
»Du bist an unserer Ausfahrt vorbeigefahren!«
14
ZEHN WOCHEN SPÄTER. Der Arzt für Geburtshilfe, der im siebten Stock des Cedars-Sinai-Krankenhauses residierte, wirkte zerstreut. Zwar sprach er mit Naomi, aber man merkte ihm an, dass er mit den Gedanken nicht bei der Sache war. In seinem weißen Kittel und den weißen Turnschuhen erinnerte Dr. Rosengarten Naomi an Dr. Dettore auf dem Schiff. Rosengarten war ein kleiner, schlanker, eitler Mann Ende vierzig mit näselnder Stimme, schütteren, sonnengebleichten Haaren und einer etwas gelblichen Bräune, die wohl eher aus der Tube als von der kalifornischen Sonne stammte.
Er war Naomi nicht direkt unsympathisch, aber in seiner reservierten Art auch nicht sympathisch. Außerdem fand sie die üppig verzierten, vergoldeten Louis-Quinze-Möbel, die Quastenvorhänge und den Nippes aus Jade und Onyx in einem so modernen Gebäude ziemlich absurd. Das Sprechzimmer glich eher einem Boudoir – obwohl das vielleicht genau die Wirkung war, die Dr. Rosengarten erzielen wollte. Gewiss ließen sich einige seiner Patientinnen von dieser vermeintlichen Grandezza beeindrucken.
Zu Naomis Überraschung hatte Dr. Dettore nach all der akribischen Behandlung und Planung auf dem Schiff keinerlei anschließende Vorsorgeuntersuchungen anberaumt. Er hatte ihr lediglich seine Broschüre »Richtlinien nach der Empfängnis« in die Hand gedrückt, die eine Auswahl von Büchern und Websites über den Schutz des Ungeborenen enthielt. Die Ratgeber umfassten Themen von der Ernährung über die Gemütsverfassung der Mutter bis hin zu Informationen über allerlei Vitamine und Mineralien zur Nahrungsergänzung. Es war, als hätte er sie aus seiner Obhut entlassen, sobald sie am LaGuardia Airport aus dem Hubschrauber gestiegen waren – aus den Augen, aus dem Sinn. Er hatte lediglich um eine Nachricht nach Lukes Geburt gebeten, für seine Unterlagen, und gesagt, sie sollten ihn noch einmal konsultieren, wenn Luke drei Jahre alt war.
Naomi fragte sich, ob Dettores Mangel an Interesse sich darauf begründete, dass sie so wenig aus seiner Angebotspalette ausgewählt hatten. Obwohl er ihnen gegenüber unverändert charmant geblieben war, hatte sie gegen Ende ihres Aufenthaltes eine gewisse Distanz und Ungeduld an ihm wahrgenommen.
Es hatte sie wirklich überrascht, dass er ihnen keinen Frauen- oder Kinderarzt in Los Angeles empfohlen, sondern sie kurzerhand an ihre eigenen Ärzte verwiesen hatte. Für das Geld, das er ihnen abgeknöpft hatte, dachte Naomi, hätte sie wenigstens eine wohl durchdachte Nachsorge erwartet.
Ihr eigener Arzt hatte denselben Geburtshelfer in Santa Monica empfohlen, der schon Halley zur Welt gebracht hatte. Doch Naomis beste Freundin in LA , Lori Shapiro, hatte ihn rigoros abgelehnt, und das hatte nichts mit Halley zu tun. Lori war mit einem unglaublich reichen Radiologen verheiratet, Irwin, der alle Mediziner in der Gegend kannte und Dr. Rosengarten über den grünen Klee pries. Dr. Rosengarten hatte Lori von allen drei Kindern entbunden, und sowohl sie als auch Irwin versicherten Naomi, dass er der Beste in der ganzen Stadt sei. Zum Beweis ratterten sie die Namen der Prominenten herunter, deren Babys er zur Welt gebracht hatte.
Naomi und John hatten bereitwillig den Arzt gewechselt, froh darüber, die Verbindung zu Halley und ihrer Vergangenheit zu kappen. Als John sich im plüschigen Sprechzimmer umsah, war er dankbar für seine Anstellung bei der Universität, durch die sie privat krankenversichert waren.
Rosengartens Sekretärin öffnete die Tür, eine biegsame, blonde kalifornische Schönheit, untergewichtig und von unterkühlter Freundlichkeit, und flüsterte dem Doktor etwas zu.
»Bitte entschuldigen Sie mich«, sagte er zu John und Naomi. »Bei einer meiner Patientinnen haben die Wehen drei Wochen zu früh eingesetzt.« Er legte den Zeigefinger auf die Lippen. »Sie ist eine … Natürlich kann ich keine Namen nennen, aber morgen werden Sie es in der Zeitung lesen. Bin gleich wieder
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