Nur dein Leben
grober Unfug, ausgedacht von irgendeinem Spinner, der von dem Hubschrauberabsturz erfahren hatte. Vielleicht ein religiöser Fanatiker, der ein falsches Bekennerschreiben auf den Weg gebracht hatte. Dennoch riet er John und Naomi, eine Zeit lang auf der Hut zu sein und versprach, sich zu melden, sobald er etwas Neues erführe.
John schickte ihm einen kurzen Dank, als sein Blick auf eine weitere E-Mail fiel. Sie stammte von seinem früheren Mentor aus England.
John,
ich weiß, ich lehne mich weit aus dem Fenster, denn bestimmt genießt Du die kalifornische Sonne in vollen Zügen. Allerdings habe ich im Internet von dem Aufruhr in puncto Designerbabys gelesen, den Du losgetreten hast und dachte, Du könntest vielleicht Tapetenwechsel gebrauchen? Wir hätten Dir hier eine großartige Stellung anzubieten. Staatliche Unterstützung, ländliches Sussex, Festanstellung bis ans Ende Deines Lebens und großzügige Forschungsgelder. Ein Leckerbissen für einen Wissenschaftler! Zweihundert Morgen Campus, sechshundert wissenschaftliche Mitarbeiter. Ein Teilchenbeschleuniger, der mit dem in Cern konkurrieren kann. Ein Institut für Mikroschrift – die haben hier eine Maschine, die dreihundert Zeilen auf ein menschliches Haar drucken kann … Ich wurde vor kurzem eingestellt, um ein neues Institut aufzubauen, und wir suchen derzeit gute Wissenschaftler auf dem Gebiet Virtuelles Leben. Ich könnte Dir ein eigenes Labor mit 1 -A-Ausstattung und allen Freiheiten anbieten.
Berichte mir auf jeden Fall, wie es Dir so geht, alter Wikingersack, und was es Neues gibt.
Carson Dicks
Professor am Institut für Virtualität. UK Government Morley Park Research Laboratories. Storrington. West Sussex. United Kingdom
John lehnte sich in seinem Stuhl zurück und blickte die Mail nachdenklich an. Er wusste genau, wie Naomi reagieren würde, wenn sie davon erführe: Sie würde alles tun, um zurück nach England zu kommen. Nach Hause.
Für ihn war die Aussicht jedoch weniger verlockend. Er hatte in Sussex gelebt, und es hatte ihm auch ganz gut gefallen. London und das Meer waren nicht weit, Brighton war eine attraktive, lebendige Stadt und die Landschaft idyllisch.
Aber England … Mieses Wetter. Miese Ansichten über Wissenschaftler. Kaum zu glauben, dass ein Land, aus dem so viele weltbewegende Erfindungen stammten, der Forschung so kleingeistig und knickrig gegenüberstand. Eine Festanstellung an der USC lag vermutlich in weiter Ferne, dank Sally Kimberly, doch er konnte in den USA bleiben, seine Seele verkaufen und sich einen Job in der Industrie suchen, bei einem Software- oder vielleicht einem Pharmaunternehmen.
Er mochte Carson Dicks, aber der Gedanke an eine Rückkehr nach England deprimierte ihn. Allerdings musste er sich eingestehen, dass dieser Weg ihre derzeitigen Probleme lösen würde.
Zurückhaltend antwortete er dem Professor, er habe sich gefreut, von ihm zu hören und würde über sein Angebot nachdenken.
30
Naomis Tagebuch
Lori und Irwin haben sich einfach großartig verhalten. Ich glaube zwar immer noch, dass keiner von beiden gutheißt, was wir getan haben, aber sie verlieren kein Wort darüber. Sie haben darauf bestanden, dass wir zu ihnen in den Gästetrakt ziehen, bis sich der Staub gelegt hat.
Sie besitzen ein großes Anwesen an der Lago Vista, nicht weit von Coldwater Canyon. Es liegt auf der Steilwand eines Canyons, oberhalb des Beverly Hills Hotels. Nach Westen hin blickt man über das Meer, nach Osten über Downtown LA . Ihr Gästehaus ist herrlich und größer als unser eigenes!
Man fühlt sich wie draußen auf dem Land und sieht jede Menge wilder Tiere. Auf der anderen Seite des Canyons steht eine Riesenvilla, von der Irwin behauptet, Aaron Spelling habe sie erbaut (der Schöpfer von Dynasty !), aber Lori ist sich nicht so sicher, sie glaubt, sein Haus liege weiter westlich. Wie auch immer – das Grundstück muss um die anderthalb Quadratkilometer groß sein und umfasst zwei Tennisplätze. Wahnsinn! Ich habe mir eine Notiz gemacht, für Lori und Irwin den Eigentümer zu ermitteln, vergesse es aber dauernd – dabei weiß ich genau, wen ich fragen muss.
Inzwischen sind vier Tage seit dem Tod von Dr. Dettore vergangen und drei, seitdem John und ich auf der Titelseite von USA Today zu sehen waren. Es ist wirklich schrecklich. Egal wo ich hingehe, habe ich das Gefühl, von wildfremden Leuten angestarrt zu werden, und sogar, wenn ich mit dem Auto an einer roten Ampel warte, fällt mir auf, dass
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