Nur dein Leben
ein ungutes Gefühl.
Vielleicht noch mehr Presse.
John stand auf und schlich ohne das Licht einzuschalten durch den Flur ins Wohnzimmer, von wo aus man auf die Straße sehen konnte. Mittlerweile waren dort noch mehr Fahrzeuge eingetroffen, darunter ein grauer Van ganz ohne Radio-, Fernseh- oder Zeitungslogo. Er stand direkt vor dem Haus, unter einer Straßenlaterne, eine alte Rostlaube, heruntergekommen, staubig, mit einer Beule im Kotflügel. Die hinteren Türen waren geöffnet. Ein Mann und zwei Frauen luden etwas aus, was wie hölzerne Stangen aussah. Die kleine Gruppe der Reporter, die noch auf dem Bürgersteig stand, war zur Seite gewichen und beäugte sie misstrauisch.
John bekam Angst.
Der Mann war groß und dünn. Seine langen grauen Haare hatte er zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, und seine Kleidung war schäbig. Auch die Frauen wirkten ungepflegt. Die eine, die ebenfalls ziemlich groß war, hatte lange, strähnige braune Haare, die andere, pummelig und klein, trug ihr Haar kurz, fast als Bürstenschnitt. Sie erhoben ihre Stangen und jetzt erkannte John, dass es Plakate waren.
Sie bildeten eine Gruppe auf dem Bürgersteig. Jeder hielt ein Plakat hoch, aber John konnte nicht erkennen, was darauf stand.
Er erinnerte sich daran, dass er irgendwo in seinem Arbeitszimmer ein Fernglas hatte. Es dauerte ein paar Minuten, bis er es in dem Chaos gefunden hatte. Er nahm es aus dem Etui, kehrte ins Wohnzimmer zurück und stellte es ein. Jetzt konnte er die Plakate lesen.
Auf dem einen stand: NEIN ZU GEN - EXPERIMENTEN !
Ein anderes: VERTRAU AUF GOTT , NICHT AUF DIE WISSENSCHAFT !
Und das dritte: KINDER KOMMEN VON GOTT , NICHT AUS DEM LABOR !
Unmittelbar hinter sich hörte er Naomis zittrige Stimme: »Oh nein, John! Bitte, unternimm doch etwas, ruf die Polizei!«
»Ignoriere sie einfach«, erwiderte er in dem Versuch, mutig zu klingen. Er wollte sich nicht anmerken lassen, dass ihn diese Leute genauso verstörten wie sie. »Das sind doch Spinner. Die wollen nur Aufmerksamkeit. Die wollen doch nur, dass wir die Polizei rufen und es zu einer Auseinandersetzung kommt. Nimm einfach keine Notiz von ihnen, dann verschwinden die von ganz alleine.«
Doch am nächsten Morgen waren die Demonstranten immer noch da, und sogar ein zweites Fahrzeug hatte vor ihrem Haus geparkt, ein uralter, völlig verbeulter grüner Ford LTD Kombi mit getönten Scheiben. Ihm entstiegen zwei weitere, kämpferisch wirkende Frauen mit Transparenten.
NUR GOTT KANN LEBEN SCHENKEN .
TREIBT DIE SATANSBRUT AB !
29
JOHN HATTE EINEN ALTEN SCHULFREUND, Kalle Almtorp, den er aus seiner Heimatstadt Örebro kannte und der inzwischen als Attaché an der schwedischen Botschaft in Washington arbeitete. Sie sahen sich selten, hielten aber über E-Mail Kontakt. Kalle hatte gute Beziehungen.
John hatte sich mit der Bitte an ihn gewandt, so viele Hintergrundinformationen wie möglich über den Tod von Dr. Dettore und die Gründe für die Unerreichbarkeit von dessen Schiff in Erfahrung zu bringen. Außerdem bat er ihn, alles nur Mögliche über die Organisation herauszufinden, die sich Apostel des Dritten Jahrtausends nannte.
An diesem Morgen hatte John fast zweihundert neue E-Mails sowie eine Flut von Nachrichten auf dem Anrufbeantworter, sowohl zu Hause als auch im Büro. Die Neuigkeit von ihrem Designerbaby hatte nicht nur Schweden, sondern praktisch jedes Land rund um den Globus erreicht. Verwandte und Freunde hatten sich gemeldet, aber auch drei PR -Experten, die John und Naomi bei der internationalen Vermarktung ihrer Geschichte helfen wollten und ihnen hohe Gewinnsummen in Aussicht stellten.
Kalle Almtorp hatte geantwortet, auf Schwedisch. Sie kommunizierten stets in ihrer Muttersprache.
Kalle wusste wenig mehr über den Tod von Dr. Dettore als das, was John in den Nachrichten gesehen hatte. Ebenso wie das Schiff war der Hubschrauber in Panama registriert, und der Absturz hatte sich in internationalen Gewässern ereignet. Da sowohl der Pilot als auch Dettore jedoch amerikanische Staatsbürger waren, zeigte die zivile Luftfahrtbehörde FAA Interesse an einer Aufklärung des Falls. Sie plante eine großflächige Suche aus der Luft über der Absturzstelle, und ein Rettungsschiff war bereits unterwegs. Bisher konnte weder ein Kontakt zur
Serendipity Rose
hergestellt werden, noch waren Trümmer des Hubschraubers gefunden worden.
Von den Aposteln des Dritten Jahrtausends hatte Kalle noch nie etwas gehört. Er vermutete, das sei nur
Weitere Kostenlose Bücher