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Nur dein Leben

Nur dein Leben

Titel: Nur dein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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würde es abends warm genug sein, um draußen zu sitzen. Sie hatten Carson und Caroline Dicks zu einem von Johns schwedischen Krebsabenden eingeladen. John legte großen Wert darauf, seine heimischen Traditionen zu pflegen, und ihr hatte das immer gut gefallen, obwohl es sie wunderte bei einem Mann, der ansonsten so viel stärker an die Zukunft als an die Vergangenheit glaubte.
    Sie stieg von der Leiter, kniete sich hin und sammelte etwas Fallobst ein. Es gefiel ihr hier im von Sonnenflecken gesprenkelten Schatten, fast wie in einer verborgenen Welt für sich. Es erinnerte sie an ihre Kindheit, als sie es liebte, sich zu verstecken und stundenlang allein zu sein. Dann wedelte sie die nächste Wespe weg und trug den fast vollen Eimer hinüber zu John und den Kindern.
    Er saß am Holztisch auf der Terrasse, eine Ausgabe der Zeitschrift
Nature
vor sich, und starrte mit einem seltsamen Gesichtsausdruck hinunter auf Luke und Phoebe. Er hatte etwas in der Hand, das sie im ersten Augenblick für seine Kamera hielt, sich aber auf den zweiten Blick als Diktaphon entpuppte. Er richtete es auf Luke und Phoebe. Es wird ja schon fast zur Besessenheit, wie er fast jeden Augenblick ihrer Kindheit festhält und dokumentiert, dachte sie.
    »Luke, Phoebe, schaut mal, die schönen Pflaumen!«, sagte sie fröhlich.
    Keines der Kinder schien sie wahrzunehmen. Luke redete mit Phoebe, und seine Sprechweise wirkte flüssiger und sicherer als sonst. Phoebe antwortete ebenso lebhaft. Dann wandte sie sich an ihren rosafarbenen Elefanten mit den Schlappohren.
    »Obm dekcarh cidnaaev hot nawoy fedied oevauoy.«
    Naomi runzelte die Stirn. Hatte sie richtig gehört?
    Luke antwortete: »Eka foe eipnod hyderlseh deegsomud.«
    Dann sagte Phoebe: »Olaaeo evayeh gibra snahele.«
    Naomi sah John an, der ihr mit erhobenem Zeigefinger zu verstehen gab, die Kinder nicht zu unterbrechen.
    Mehrere Minuten lang unterhielten sie sich in dieser merkwürdigen Sprache. Ohne Naomi zu beachten, plauderten sie fröhlich miteinander und ihren Spielzeuggästen. Plötzlich konnte Naomi es nicht mehr ertragen, ging in die Küche und stellte ihren Eimer auf den Tisch. Sie war zutiefst beunruhigt, denn das war kein Babygeplapper gewesen. Sie hatten sich fließend unterhalten wie in einer richtigen Sprache. Eine Sprache, die ihre kommunikativen Fähigkeiten plötzlich beträchtlich verbessert hatte.
    Aus dem Fenster sah sie, dass sie noch immer miteinander spielten und sich unterhielten.
    Sie erschrak, als John sie ansprach. Er stand plötzlich unmittelbar hinter ihr. »Hast du sie je zuvor so reden gehört?«
    »Nein, noch nie.«
    Er drückte eine Taste am Recorder.
    »Obm dekcarh cidnaaev hot nawoy fedied oevauoy.«
    »Eka foe eipnod hyderlseh deegsomud.«
    »Olaaeo evayeh gibra snahele.«
    John drückte die Pausentaste und sagte: »Keine Ahnung, was das für eine Sprache ist.«
    »Vielleicht eine Art Schwedisch?«
    »Nein.« Er ließ das Band eine Weile weiterlaufen.
    »Manche Kinder erfinden Sprachen«, sagte Naomi. »Ich habe darüber in verschiedenen Büchern gelesen – Zwillinge tun das recht häufig. Eine Art Geheimsprache, weißt du.«
    »Idioglossie«, sagte John nachdenklich.
    »Idioglossie?«
    »Erfundene Sprache.«
    Naomi nahm eine bedruckte Serviette in die Hand, faltete sie zusammen und legte sie wieder auf den Tisch. »Ist das ein Spiel, John? Nur ein harmloses Spiel? Oder …«
    »Oder?«, fragte er.
    Sie faltete eine zweite Serviette. »Tun sie das, damit wir sie nicht verstehen?«
    John lächelte. »Mit zwanzig Monaten sind sie doch noch nicht alt genug, um so durchtrieben zu sein. Das glaube ich nicht.«
    »Wirklich nicht? Bist du sicher?«
    Ihre Augen trafen sich in unbehaglichem Schweigen.

54
    »HELAN GÅR, SJUNG HOPP FADERALLAN LALLAN LEJ …
    Helan går, sjung hopp faderallan lej!
    Och den som inte helan tar,
    Han heller inte halvan får …
    Helan gåaaaaarrrrr … sjung hopp faderallan lej!«
    Unter lautem Gelächter über den stümperhaften Gesang stießen vier Gläser mit Skåne Aquavit über der festlichen Tafel in Johns und Naomis Essecke zusammen.
    »Skål!«,
sagte John.
    »Skål!«,
sagte Naomi.
    »Skål!«
, sagte Carson Dicks und legte das Blatt mit seinem Liedtext hin.
    Dann, etwas weniger überschwänglich, als sei ihr das rowdyhafte Benehmen ein wenig peinlich, fügte auch Carsons Frau Caroline ihr verhaltenes:
»Skål!«
hinzu.
    Den Mittelpunkt des Tisches bildete eine große Platte mit einem Berg scharlachroter, mit

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