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Nur Der Mann Im Mond Schaut Zu:

Titel: Nur Der Mann Im Mond Schaut Zu: Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carin Gerhardsen
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Hamad stand für systematisches Arbeiten, unermüdlichen Eifer und geduldige Hartnäckigkeit. Die Folge dieser monotonen Marathonläufe war, dass sich sein ohnehin schon gutes Gedächtnis immer weiter entwickelt hatte. Es kam selten vor, aber es geschah, und es würde wieder geschehen. Dieses kribbelnde Gefühl würde ihn erfassen, der Urkeim eines Gedankens, eine Vorahnung, dass er auf etwas reagieren sollte, von dem er zuerst nicht wusste, was es war. Aber mit der Zeit kam er immer darauf.
    Er hatte noch eine halbe Stunde, bevor er einen weiteren Passagier der Finnlandfähre befragen würde, und er beschloss, weitere zwei Seiten mit Namen durchzuackern, bevor er sich mit einer Tasse Kaffee belohnen würde. Noch zwei Namen standen auf der Seite, die vor ihm auf dem Tisch lag, als es plötzlich Klick machte. Dieses Mal schlich das Gefühl sich nicht an ihn heran, sondern sprang ihn direkt an. Sein Blick wanderte über die Zeile, vom Namen über die Sozialversicherungsnummer bis zur Adresse und der Telefonnummer. Jedes Detail stimmte mit den Angaben überein, die er ein paar Stunden zuvor studiert hatte. Der Mann, dessen Brieftasche Elise abgegeben hatte, Sören Andersson, geboren 1954 mit einer Adresse in der Katarina Bangata, war einer der Passagiere auf der Finnlandfähre, als Jennifer ermordet wurde.
    Was sollte er mit dieser Information anfangen? Hier hatten sie eine Verbindung zwischen Jennifer und einem bislang unbekannten Mitreisenden. Eine verlorene Brieftasche, Sören Anderssons Brieftasche, die von Jennifers kleiner Schwester bei der Polizei abgegeben wird. Wie war Elise in ihren Besitz gekommen? Sie hatte sie natürlich unter Jennifers Sachen gefunden. Die beiden Schwestern hatten sich schließlich ein Zimmer geteilt. Jennifer hatte sie vielleicht Sören Andersson gestohlen, und dann hatte Elise sie gefunden und sie bei der Polizei abgegeben.
    Aber warum sollte Elise dann so ein Geheimnis daraus machen, so tun, als hätte sie sie auf der Straße gefunden? Weil sie das Andenken ihrer Schwester nicht beschmutzen wollte? Nein, das konnte nicht sein. Es lag ja auch in ihrem Interesse, dass der Mörder ihrer Schwester gefasst wurde. Aber man brachte doch niemanden um, weil er einem die Brieftasche gestohlen hatte? Es sei denn, etwas ganz Außergewöhnliches hätte sich darin befunden. Etwas, das man so dringend von den Augen der Allgemeinheit fernhalten wollte, dass man alles dafür zu tun bereit war. Etwas, das sich mittlerweile nicht mehr darin befand. Die Gedanken wirbelten durch Hamads Kopf.
    Hastig überflog er die Liste der alleinreisenden Männer und stellte fest, dass Sören Andersson zu den Personen gehörte, die für die Befragung durch Sjöberg vorgesehen waren, bislang aber noch nicht erreicht werden konnten. Er stürzte sich auf das Telefon und rief im Fundbüro an.
    »Sören Andersson, der mit der Brieftasche, über den ich mit euch gesprochen habe – habt ihr den schon erreicht?«, wollte er wissen.
    »Das haben wir. Er ist hier.«
    »Haltet ihn für mich fest. Haltet ihn irgendwie auf, ohne dass er dabei misstrauisch wird. Ich komme sofort zu euch runter.«
    Er eilte nach unten ins Fundbüro, hielt aber vor der Tür noch einmal kurz inne und atmete tief durch, damit er nicht erregt oder außer Atem wirkte. Etwa eine Minute stand er so da, bevor er auf eine, so hoffte er, ruhige und entspannte Art durch die Tür eintrat. Sein Blick begegnete dem eines jungen Polizisten, der mit den Augen signalisierte, dass es sich bei seinem Gesprächspartner um den besagten Sören Andersson handelte. Hamad trat an ihn heran und legte die Hand auf seine Schulter.
    »Sören Andersson?«, fragte er beherrscht.
    Der Mann drehte sich mit einem nichtssagenden Blick zu ihm um.
    »Ja?«, antwortete er fragend.
    »Ich hatte versucht, in einer ganz anderen Angelegenheit Kontakt zu Ihnen aufzunehmen«, sagte Hamad, »da trifft es sich hervorragend, dass Sie gerade jetzt zufällig hier zu tun haben. Wenn Sie mich bitte kurz nach oben in mein Büro begleiten würden? Es wird nicht lange dauern.«
    »Natürlich«, antwortete Sören Andersson. »Haben wir alle Formalitäten geklärt?«, fragte er, an den Polizeibeamten hinter dem Schalter gewandt.
    Dieser lächelte und nickte zur Antwort, und Hamad bedankte sich bei ihm mit einem Augenzwinkern, bevor er Sören Andersson mit sich nach oben nahm.
    Er war lang und mager, hatte eingefallene Wangen und machte einen friedlichen Eindruck. Seine anscheinend frisch gewaschenen Haare

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