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Nur die Liebe bleibt

Titel: Nur die Liebe bleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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nicht, wenn ich wegfahre. Es ist wichtig, dass wir unsere Trauer gemeinsam tragen und nicht jeder für sich.«
    »Jedenfalls hat Owuor stundenlang suchen müssen, ehe er Äpfel gefunden hat. In diesem Kaffernland wachsen sie ja nicht. Er will mir nicht verraten, wo er sie doch noch aufgetrieben hat.«
    »Im Paradies, vermute ich. Da soll es ja einen Apfelbaum gegeben haben. Und Frauen wie dich, die Männer um den Verstand bringen. Übrigens liegt Gilgil nicht in der Wüste. Du warst oft genug da, um zu wissen, dass unsere einzigen Freunde eine wunderschöne Farm in Gilgil haben und dass dort ein riesiges Militärcamp ist. Vielleicht kannst du zum Apfelkuchen unseren lieben Nachbarn einladen. Der erwägt, sich nach seiner Naturalisa-
    tion nicht mehr Rosenthal, sondern Rosevalley zu nennen. Mir hat der arme Trottel gestanden, dass er zu Hause Not leidet, denn seine Frau übt jetzt schon die englische Küche und traktiert ihn mit Nierenpastete, kocht das Kraut nicht mehr weich und serviert selbst zum Kartoffelsalat Minzsoße.«
    »Ich wollte, du würdest auch endlich mal Minzsoße essen. Alle anderen hier tun’s längst. Sie ist wirklich was Besonderes, wenn man sich an sie gewöhnt hat.«
    »Wenn ich General bin, gibt’s schon zum Frühstück Minz-soße. Das versprech ich dir. Und wir trinken immer nur Tee. Und zum Sundowner Gin mit Lime.«
    »Ich versteh’ immer noch nicht, weshalb sie ausgerechnet dich schicken müssen. Du bist doch verheiratet.« »Ich kann lesen und schreiben, Jettel. Gerade in Kriegszeiten ist das nicht zu unterschätzen.«
    Das Gespräch fiel Walter ein, als der Zug Nairobi verließ. Zu seinem Kummer erinnerte er sich auch an Owuors Gesicht. Der getreue Koch der Familie Redlich mochte es in Nairobi noch weniger als auf der Farm in Ol’ Joro Orok, wenn weder die kleine Memsahib noch der Bwana zu Hause waren, um seine Ohren mit Lob zu verwöhnen. Obwohl Walter sich auf die vier Tage Urlaub und die Möglichkeit gefreut hatte, seinen Geburtstag mit Jettel zu feiern, war er gut gestimmt - sogar besser als seit Jahren am 5. September. Das Gespräch mit seiner Frau hatte ihm wieder einmal deutlich gemacht, wie entscheidend sich die Lebensumstände zum Positiven verändert hatten, seitdem er beim Militär und im nahen Ngong stationiert war. Jettel erschien ihm - zum ersten Mal seit der Auswanderung - zufrieden.
    »Du bist«, hatte er ihr erst am Abend zuvor gesagt, »jünger geworden in Nairobi. Du siehst aus wie in der Tanzstunde. Wahrscheinlich suchst du dir demnächst einen jungen Kerl, und ich muss wieder lernen, was Eifersucht ist.«
    »Also, wenn du etwas nicht vergessen hast, dann das. Das hab ich begriffen, als Martin Batschinsky uns im letzten Jahr in Ol’ Joro Orok besucht hat.«
    Jettel genoss das Leben in der Stadt. Sie hatte seit der Ankunft in Kenia in Nairobi leben wollen. Durch einen glücklichen Zufall hatte sie zwei Zimmer mit Küche im »Hove Court« gefunden, einer ehemaligen für britische Beamtenfamilien großzügig konzipierten Hotelanlage. Seit drei Jahren logierten dort vorwiegend Emigranten in kleinen, ein wenig primitiven, doch für sie bezahlbaren Wohnungen. Die brachten dem Eigentümer ein Vermögen ein und gaben den Mietern die Möglichkeit, mit Menschen zusammenzuleben, die die gleiche Herkunft und das gleiche Schicksal teilten. Man sprach vom »Vierten Reich«. Im Übrigen sprach man Deutsch - jedenfalls so lange niemand in Sicht war, dem man vormachen musste, man sei seltsamerweise seiner Muttersprache nicht mehr mächtig.
    Nicht nur die äußeren Lebensumstände hatten sich für Walter und Jettel geändert, sondern auch ihr Umgangston und ihre Gefühlswelt. Wenn Walter seine Frau besuchte, was meistens jedes zweite Wochenende der Fall war, waren ihre Plänkeleien wie in den ersten Jahren ihrer Ehe - kratzbürstig und ironisch, aber ohne Häme und ohne die bewusst bösartigen Kränkungen, die das Leben auf der einsamen Farm zur Hölle der Ausweglosigkeit gemacht hatten. Owuor, der Mann mit einem feinen Instinkt für die Menschen, die ihm nahestanden, war der
    Erste, der das neue Selbstbewusstsein seines Bwana kommentierte. Ausgerechnet, als er einen Pfannkuchen enormen Ausmaßes in die Luft warf, eine Herausforderung, die im Allgemeinen seine gesamte Konzentration erforderte, stellte er fest: »Wenn in Nairobi dein Mund schimpft, lachen deine Augen immer noch.«
    Owuor lachte nur noch selten. Zwar sonnte er sich im Glanz von Walters Uniform und bestaunte immer noch

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