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Nur die Liebe bleibt

Titel: Nur die Liebe bleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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Käfer, schlief auf Private Redlichs olivgrüner Schildmütze. Aus der Richtung des Speisewagens duftete es nach gebratenem Fleisch. Der Kellner vom Morgen brachte eine Karaffe abgekochtes Wasser und stellte sie auf den Tisch.
    »Für den Bwana Captain«, sagte er und brüllte Gelächter, denn er wusste, dass der Witz bei allen zündete, die keine Offiziere waren.
    Walter setzte seine Mütze auf und salutierte. Er schluckte das Wasser so gierig, als wäre er tagelang durch die Wüste gewandert. Es kühlte nicht nur seine Kehle, sondern auch seinen Kopf. Obgleich er immer noch auf der Alten Brücke in Heidelberg stand und mit Martin Batschinsky von seiner Sehnsucht nach Jettel sprach, die ihm aus Breslau Briefe schrieb, die ihn eifersüchtig und unruhig machten, war er weder unglücklich noch unzufrieden. Mit dem Selbstbewusstsein eines Baron Münchhausen, der sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf gezogen hatte, befahl er die letzten Monate zum Appell. »Rührt euch«, rief er und klatschte theatralisch in die Hände.
    Im März waren die Militärbehörden in Kenia dem Vorbild des Mutterlandes gefolgt und hatten die jüdischen Emigranten aus Deutschland endlich in die Army aufgenommen. Seitdem strahlte für Walter ein neuer Stern am Himmel. Noch vor sechs Monaten war er ein verzweifelter Farmangestellter gewesen; sein Monatsverdienst hatte gerade für Reginas Schulgeld gereicht. Einen Besuch beim Zahnarzt hatte er sich nicht leisten können, sechs Monate lang war er mit einem vereiterten Zahn herumgelaufen. Ein jüdischer Tierarzt, den er flüchtig kannte, hatte Jettels Blutvergiftung und Reginas Lungenentzündung behandelt. Walters letzte finanzielle Reserve war für das Krankenhaus in Nakuru aufgebraucht worden, in dem Jettel im August 1942 ein totes Kind geboren hatte. »Ich bleibe«, hatte er an dem Tag gesagt, als er sie im Auto seines Nachbarn aus dem Krankenhaus zurück auf die Farm holte, »in diesem verfluchten Land immer ein Nebbich, auf dem jeder herumtrampeln kann.«
    Jettel hatte ihm nicht widersprochen. Kurz hinter Thompson’s Falls hatten sie zusammen auf einem Baumstamm gesessen und kaum gewagt, einander anzuschauen. Es gebe keinen Gott, hatte Jettel gesagt. »Wenn es ihn nicht gäbe, wären wir in Leobschütz geblieben und alle drei tot«, hatte Walter ihr widersprochen.
    Sie hatten beide geweint, eng umschlungen und hilflos wie Kinder, die nicht begreifen, was mit ihnen geschah. Inzwischen wurde Jettel sehr gut vom Militär versorgt, und zudem gehörte sie zur Creme der Gesellschaft im »Hove Court«, wurden doch in Emigrantenkreisen die Ehefrauen, deren Männer die britische Uniform trugen, mit allergrößtem Respekt bedacht. Der Glanz bestrahlte auch das Personal. Owuor lief in seinem neuen Leben in Nairobi keinen Tag ohne Schuhe, und er hatte bei einem indischen Händler zwei neue Hemden gekauft. Und ein Taschenmesser. Im »Hove Court« sprachen die Leute vom »sympathischen, immer freundlichen Herrn Doktor Redlich«, und keiner von ihnen - schon gar nicht Jettel -wusste, dass er in Ol’ Joro Orok mehr als einmal daran gedacht hatte, sich mit seinem letzten Geld einen Strick und einen festen Haken zu kaufen.
    Nun trug er, wie er bei denen zu prahlen pflegte, die noch ein Gedächtnis für ihre Muttersprache hatten, »des Königs Rock«. In drei Sprachen zählte er die Geschenke auf, die ihm der Himmel hatte zuteil werden lassen. Sein Khakihemd und die Unterwäsche wurden täglich gewaschen, die Shorts hatten Bügelfalten wie einst in Breslau die Smokinghose zum Tanzstundenball. Kein Strumpf hatte ein Loch, es gab zwei saubere Pyjamas pro Monat und eine Ausgehuniform. Ein Kikuyubursche namens Manjala wienerte jeden Morgen vor Sonnenaufgang Walters Stiefel spiegelblank und brachte ihm anschließend den Morgentee.
    Längst eine hübsche Anekdote war das erste Kapitel dieses neuzeitlichen Märchens: Rekrut Redlich hatte sich beim ersten Marsch seines Lebens in Stiefeln, die ihm eine Nummer zu klein waren, Blasen gelaufen, und er hatte nicht genug Englisch gekonnt, um sich bei dem übellaunigen Corporal, dem die Kleiderkammer unterstellt war, die richtige Schuhgröße verpassen zu lassen. Zu jedem Frühstück im Camp Ngong gab es Porridge mit frischer Sahne, Eier, Speck, gebratene Tomaten, Würstchen und Corned Beef und, wenn ein Schiff aus dem Mutterland seinen Weg nach Mombasa gefunden hatte, geräucherten Fisch.
    »Schon deswegen werden wir den Krieg gewinnen«, prophezeite Walter, womit er seinen

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