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Nur dieser eine Sommer

Nur dieser eine Sommer

Titel: Nur dieser eine Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Alice Monroe
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auf Reisen gehen. Es gibt noch so viel auf der Welt, was ich mir gern angeschaut hätte. Doch nun bin ich dafür zu alt und so krank, dass es zu strapaziös wäre. Für teure Kleidung habe ich nicht viel übrig. Meinen Schmuck verschenke ich. An diesem Punkt meines Lebens sehe ich allen irdischen Besitz als bloßen Tand an. Wie ich schon gegenüber Cara erwähnte, betrachte ich ihn als Firlefanz, der nur vom Wesentlichen ablenkt. Und doch lastet die Verantwortung auf mir. Schließlich handelt es sich tatsächlich um sehr viel Geld, an dem meinen Kindern einiges liegen könnte.“
    Du wirst beiden je ein Grundstück hinterlassen, oder?
    „Ich bin mir noch nicht ganz sicher. Es gibt ja auch noch meine Enkel. Das Geld würde ihnen bestimmt als Starthilfe nutzen, wenn sie erwachsen sind. Sie könnten damit ihr Studium finanzieren oder es als Anzahlung für ein Haus verwenden. Es wäre schön, wenn sie mich dadurch in guter Erinnerung behielten. Und schließlich darf ich Toy nicht vergessen. Ihr muss ich wirklich helfen! Also, was soll ich bloß tun? Überlasse ich das Land meinen Enkeln, dann werden die Leute sich verwundert fragen, wie es in meinen Besitz gelangt ist. Und mit der Zeit würde die Wahrheit ans Licht kommen. Ich habe schon zu viele Opfer gebracht und möchte am Ende meines Lebens nicht auch noch meine Würde verlieren, indem ich unsere intimsten Dinge preisgebe. Außerdem will ich meine Familie schützen!“
    Doch was hast du erreicht? Ihr habt euch entzweit!
    „Liebster, was soll ich nur tun?“
    Das weißt du doch!
    „Ja. Du hattest von jeher die Absicht, das Land dem Naturschutzbund zu vermachen. Auch ich halte das für eine gute Idee, aber ich bin mir noch nicht im Klaren, ob es recht ist. Und ich brauche jemanden, auf dessen Hilfe ich zählen kann.“
    Cara?
    „Cara reist ab.“
    Aber noch ist sie da. Du solltest mit ihr reden. Das willst du doch ohnehin!
    „Dazu reicht die Zeit nicht mehr. Cara bricht schon morgen früh auf. Da müsste schon ein Wunder geschehen.“
    Wunder gibt es immer wieder.
    „Wo gehst du hin? Bitte verlass mich nicht!“
    Ich werde dich niemals verlassen.
    „Russell!“ Lovie richtete sich auf und streckte die Arme nach ihm aus, doch es rann nur Sand durch ihre Finger.
    Sie war wieder allein und wusste, dass es keinen Zweck hatte, sich Russell zurückzuwünschen. Schmerzerfüllt stützte sie die Ellbogen auf die Knie und fröstelte leicht. Der helle Glanz des Mondes überzog den Strand mit einem silbernen Hauch. Die Flut lief auf; weiß schäumend rollten die Wellen ans Ufer.
    Plötzlich zuckte Lovie zusammen und starrte wie gebannt zur Wasserlinie. Bewegte sie da nicht etwas? Brandung klatschte an Land und flutete dann rückwärts. Winzige Pünktchen leuchtenden Planktons, Muscheln und Tang blieben zurück. Mit klopfendem Herzen saß Lovie regungslos da, um die riesige, schemenhafte Gestalt nicht zu erschrecken, die nun wie eine prähistorische Riesenechse aus den Wellen auftauchte.
    Eine Meeresschildkröte! Tatsächlich!
    Am Strand angelangt, verharrte das Tier, reckte den Hals und hob witternd den Kopf. Dann prüfte es den Sand mit seinem schnabelartigen Maul. Man konnte nur annehmen, dass es sich um die instinktgesteuerte Aufnahme einer uralten Information handeln musste, der die Schildkröte an Land folgte. Lovie hielt den Atem an und wartete gespannt, was als Nächstes passieren würde. Endlich setzte sich das Tier in Bewegung und kroch langsam und schleppend den Strand hinauf, direkt auf Lovie zu. Alle paar Schritte musste es den Gesetzen der Schwerkraft Tribut zollen und anhalten – kein Wunder bei einem Körpergewicht von annähernd drei Zentnern. Mit unbeholfenem, ruckartigem Watschelgang arbeitete sich der Loggerhead Zoll für Zoll vorwärts, wobei er häufige Pausen einlegte, um zu verschnaufen.
    Es würde geraume Zeit dauern, bis die Schildkröte ihr Ziel erreicht hätte. Ein Gedanke schoss Lovie durch den Kopf. Unendlich vorsichtig robbte sie ein paar Meter rückwärts und hastete schließlich gebückt die dem Strand abgewandte Dünenseite hinunter. Die Stablampe ließ sie ausgeschaltet, um das Tier nicht zu verjagen, und eilte, so schnell ihre Beine sie trugen, über den Pfad zurück zum Strandhaus.
    Diesmal klopfte sie nicht erst an Caras Zimmertür, sondern trat sofort ein, wich dem Koffer aus, der am Bett stand, und rüttelte ihre Tochter sanft an der Schulter.
    „Cara! Wach auf!“
    Mit einem Ruck fuhr Cara hoch, japste laut und riss vollkommen

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