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Nur ein Augenblick des Gluecks Roman

Titel: Nur ein Augenblick des Gluecks Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dianne Dixon
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seiner Arme mehr - von tiefem Kummer gepackt: über die Entdeckung des Todes seiner Eltern; über die wie ein Pistolenschuss hallende zugeschlagene Tür seiner Schwester; und über den Anblick seines eigenen Namens auf einem Grabstein.
    Er versuchte, diese Dinge nicht an sich heranzulassen, indem er sich stattdessen auf Amy konzentrierte; indem er versuchte, sich an jede einzelne Note einer warmen Jazztrompete zu erinnern, die »When I Fall in Love« spielte. Es war das Lied, zu dem er sie zum ersten Mal geküsst hatte.
    Doch die dunklen Schatten zogen immer engere Kreise um ihn. Bevor er ihnen entkommen konnte, stürzten sie sich mit überwältigender Macht auf ihn und drückten ihn
nieder. Ihr Gewicht machte ihm Angst, doch zugleich hatte es auch etwas Verführerisches. Eine Kombination aus tiefer Furcht und merkwürdiger Ruhe begann sich in ihm auszubreiten, und inmitten dieser Ruhe gab er sich nach und nach der Furcht hin. Er ließ das Wasser über seinem Kopf zusammenschwappen. Etwas Süßes und Sanftes schien ihn hinabzuziehen. Es versprach, dass dort auf der anderen Seite die Rätsel und Schrecken verschwinden würden und er seinen Frieden finden würde.
    Nach einer Weile verlangsamte sich sein Herzschlag so weit, dass er zum Stillstand gekommen zu sein schien.
    Justin sah Paläste mit wirbelnden Lichtern. Und spürte das Vibrieren der Walgesänge, wie Kirchenglocken, ganz tief in seinem Hirn.
    Einen kurzen Moment lang explodierte die Welt, dann war es still. Plötzlich jedoch wurde das Wasser durch Bewegung und Lärm aufgewirbelt. Jemand rief seinen Namen, legte einen Arm um seinen Oberkörper, und schon wurde er rückwärts durch die Wellen gezogen.
    Wenige Augenblicke später taumelten zwei Männer an den Strand, die ihn zwischen sich trugen - seinen schlaffen, willenlosen Körper - wie etwas, das bereits tot war.

    Bei einem der Männer, die Justin aus der Brandung gezogen hatten, handelte es sich um Ari Silver, einen neuen Nachbarn, dessen Terrasse zum Strand hin lag. Justin und Amy waren ihm am Tag ihres Einzugs kurz begegnet. Er war ihr unmittelbarer Nachbar.
    Auf Aris Beharren hin unterzog sich Justin einer Untersuchung im örtlichen Krankenhaus. Nach einer Stunde wurde er entlassen. Das einzige Medikament, das man ihm
verschrieb, war eine ordentliche Portion Schlaf. Obwohl er beinahe ertrunken war, würden nach Auskunft des Arztes keine Schäden zurückbleiben.
    Der Vorfall hatte sich am frühen Nachmittag abgespielt, doch Amy war immer noch besorgt und voller Angst.
    Auf Justins Bitte hin hatte sie begonnen, nach und nach verschiedene Gegenstände aufs Bett zu legen. Dabei warf sie ihm immer wieder beunruhigte Seitenblicke zu. Sie rechnete im Stillen damit, dass er sie jeden Augenblick bat, damit aufzuhören.
    Doch er sagte nichts, und so breitete sie die Objekte so aus, dass sie in einem ordentlichen Halbkreis auf der Bettdecke lagen. Es waren die Habseligkeiten seines Vaters aus dem Karton, den man ihm im Pflegeheim mitgegeben hatte. Ein kleines Radio und ein Paar billige Kopfhörer. Eine verschlissene braune Brieftasche. Eine Haarbürste. Eine alte Timex-Uhr. Und ein Foto in einem Plastikrahmen, das eine Familie vor einem riesigen Weihnachtsbaum zeigte: einen blonden Mann, eine dunkelhaarige Frau und zwei Mädchen von ungefähr zehn Jahren. Alle trugen rote Pullover und lächelten unsicher.
    Justin lag auf dem Rücken, die Hände auf seiner Brust gefaltet. Er trug eine Schlafanzugshose, und aus seinen Haaren rieselte immer noch Sand. Er wandte den Kopf zur offenen Balkontür und schaute hinaus auf den Ozean. »Das ist alles?«, fragte er. »Mehr ist es nicht?«
    Amy hielt den leeren Karton hoch. »Das ist alles«, sagte sie. »Tut es dir jetzt leid, dass du mich gebeten hast, ihn zu öffnen?«
    Ganz langsam schüttelte Justin den Kopf. Amy spürte deutlich, wie tief sein Schmerz ging, und es schien, als würde es ihr selbst das Herz zerreißen.

    Als sie begann, die Gegenstände wieder in den Karton zu packen, griff Justin nach dem plastikgerahmten Foto. »Vielleicht bin ich tatsächlich schon vor vielen Jahren gestorben«, sagte er. »Und in die Hölle gekommen. Und war deswegen nicht dabei, als das Weihnachtsfoto aufgenommen wurde.« Er ließ das Foto wieder auf die Decke fallen.
    »Justin, ich verstehe all diese Merkwürdigkeiten nicht, aber es muss eine logische Erklärung dafür geben.« Amy verstaute gerade den letzten Gegenstand in der Kiste. Dann beugte sie sich hinunter und küsste Justin

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