Nur ein Augenblick des Gluecks Roman
Sie zog ihren Regenmantel über und sammelte ihre Bücher zusammen.
Ein einzelnes Stück seiner Cornflakes war in der Wolle seines roten Mickymaus-Pullovers hängen geblieben. Der Kordstoff seiner Hose war an den Knien heller und abgewetzt
vom Klettern auf die Bäume im Garten, vom Rutschen auf dem Treppengeländer und vom Malen von Dinosauriern auf großen Zeichenblöcken auf dem Fußboden des Wohnzimmers. T. J. steckte die Hände in die Taschen. Er senkte den Blick, schwankte mit dem Oberkörper hin und her und zog seine Augenbrauen zusammen. Der Junge überlegte. Schließlich sagte er: »Vielleicht noch eine Sache. Ein Klavier.«
Dieser unerwartete und leicht überzogene Wunsch erwischte Margaret auf dem falschen Fuß. Sie musste lachen. »Ein Klavier? Aber wir haben doch schon ein Klavier.«
»Aber nicht in meiner Größe.« T. J. kletterte auf die Bank vor dem Stutzflügel in der Wohnzimmerecke und breitete seine Arme über der Tastatur aus. »Siehst du, Mommy? Zu groß. Es hat nicht meine Größe.«
T. J. so zu sehen, redselig und glücklich, rührte Margaret beinahe zu Tränen.Während des gesamten ersten Jahres, nachdem er zu ihr gekommen war, hatte T. J. nicht gesprochen. Aber fast von Anfang an schien er sich von dem Klavier angezogen gefühlt zu haben. Jeden Abend nach dem Essen hatte er es zugelassen, dass Margaret ihn auf ihren Schoß nahm; er hatte sich vom ruhigen Schlag ihres Herzens in seinem Rücken beruhigen lassen, während er der Musik lauschte, die sie ihm vorspielte. Der Musik von Beethoven und Bach und Chopin.
Dann, eines Abends vor knapp sechs Monaten, als Margaret die Hände von der Tastatur genommen und zu spielen aufgehört hatte, hatte T. J. seine Hand auf ihre gelegt, sie zurück zum Klavier geführt und gesagt: »Mach weiter Musik.« Es waren die ersten Worte, die sie ihn je hatte sprechen hören, und es war der Beginn einer Flut von Worten gewesen. Es schien, als hätte die Zeit, in der Margaret und T. J. gemeinsam
in die Musik versunken waren, das in ihm gelöst, was gelähmt gewesen war, seit man ihn aus dem Haus in der Lima Street fortgebracht hatte.
Und nun bat T. J. sie um ein eigenes Klavier.
»Oh, wie ich meinen T. J. liebe. Oh, wie ich mein Baby liebe!« Margaret packte ihn und wirbelte ihn durch das Zimmer - durch ihr einfaches Yankee-Wohnzimmer mit den weißen Wänden, Flickenteppichen, den dunklen Möbeln und glänzendem Messing.
»In diesem Augenblick«, erklärte sie. »In diesem Zimmer. Mit diesem Kind in den Armen. Erfahre ich, Margaret Marie Fischer, das perfekte Glück!«
»Ich hab’ heute Geburtstag und bin jetzt fünf, Mommy«, erinnerte Justin sie. »Meine Größe ist Fünf, vergiss das nicht, wenn du mein Klavier kaufst.«
»Ich vergesse es nicht. Und jetzt such Mommys Tasche, damit sie ihre Bücher einpacken und sich auf den Weg machen kann … Damit sie unterrichten, ein Klavier kaufen und dann rechtzeitig zu deiner Geburtstagsfeier wieder hier sein kann.«
T. J. ging zum Tisch neben der Haustür, um Margarets Segeltuchtasche für ihre Bücher zu holen. In diesem Moment öffnete sich die Tür, und Kati rauschte herein. »Tut mir leid, dass ich zu spät bin, Maggie.Aber ich musste eine sehr wichtige Besorgung machen, die etwas mit Geschenkpapier und einem Zwischenstopp in der Bäckerei zu tun hat.«
»Ich habe auch eine Besorgung zu erledigen«, erwiderte Margaret. »Bei mir geht es unter anderem um die Anschaffung eines Miniatur-Steinways.«
»Tatsächlich?« Kati entledigte sich ihrer gelben Regenjacke. »Ich wusste gar nicht, dass etwas in der Art auf der Liste stand.«
»Es wurde in letzter Minute ergänzt.« Lächelnd stopfte
Margaret ihren Bücherstapel in die Segeltuchtasche und verschloss sie fest. Nachdem sie T. J. geküsst und das Haus verlassen hatte, rannte er ans Fenster und sah zu, wie sie den Wagen aus der Einfahrt zurücksetzte. »Wo fährt Mommy hin?«, fragte er. Es war dieselbe Frage wie jeden Tag, ein Spiel, das er und Kati spielten.
»Du weißt doch, wo sie hinfährt«, erwiderte Kati. »Wo sie immer hinfährt. Zur Wesleyan.«
Margaret hetzte durch ihren morgendlichen Kurs in englischer Literatur und sagte ihr Graduiertenseminar am Nachmittag ab. Sie konnte sich nicht auf ihren Lehrstoff konzentrieren. Alles, woran sie denken konnte, war, ein Klavier zu kaufen - eines, das zu jemandem mit Größe Fünf perfekt passte.
Ihr war klar, dass sie in Middletown, der Gemeinde, in der die Wesleyan so fehl am Platze wirkte, nichts
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