Nur ein Kuss von dir
sanfte Berührung an meinem Arm erschreckte mich fast schon. »Was ist los, Alex? Warum macht dich das so traurig?«
Ich konnte nichts sagen, nur auf den Strand blicken, wo der Sand jetzt glattgewischt war. Jegliche Spur dieser Worte war verschwunden.
Zurück im Hotel, schloss ich mich in meinem Zimmer ein und ließ mich auf das Bett fallen. Wie hatte ich nur meine Pläne, den Versunkenen zu helfen, so schnell vergessen können? Und warum in aller Welt war ich so dicht davor gewesen, mich von Max küssen zu lassen? Ich konnte nicht glauben, was ich empfand. Gewissensbisse und Verlangen stritten sich in mir. Ich musste reden, und es gab nur eine Person, die mich wirklich verstehen würde.
Mum würde in die Luft gehen, wenn sie wüsste, dass ich mein Telefon für einen Anruf in Spanien benutzte, doch um dieses Problem würde ich mich später kümmern. Ich hoffte inständig, dass Grace ihr Handy bei sich hatte, wählte ihre Nummer und hörte auf das eigenartige Piepen und Zischen des ausländischen Telefonsystems. Schließlich konnte ich einen nachhallenden Rufton hören. Er dauerte und dauerte, und ich wollte gerade aufgeben, als es klickte und eine atemlose Stimme zu hören war.
»Alex, Süße, bist du das?«
»Hi, Grace, ja. Wie sind die Ferien?«
»Ach, ganz gut. Es ist nicht viel los. Wie ist es denn bei dir?«
»Kompliziert. Ich muss mal ganz kurz mit dir quatschen, bevor Mum mich entdeckt. Sie hat uns diese Ferien verboten, unsere Handys zu benutzen.«
»Was ist los? Wer ist es?« Wie üblich war Grace sofort zum Kern der Sache gekommen.
»Erinnerst du dich, dass ich dir von Max erzählt hab, dem Typ, den wir immer hier treffen? Er war ein echter Langweiler, aber seit ich ihn das letzte Mal gesehen habe, hat er sich total verändert. Er ist unglaublich toll. Ich hab ganz cool getan, nicht geflirtet oder so, aber irgendwie ist da was zwischen uns.« Ich stockte und spürte, wie meine Wangen heiß wurden, sobald ich nur daran dachte.
»Ja, und?«
»Vorhin haben wir am Strand gesessen, und ich hab mir so sehr gewünscht, dass er mich küsst! Wie ist das möglich? Ich liebe Callum immer noch, aber Max ist unheimlich süß.«
»Und, hast du ihn geküsst?«, fragte sie.
»Nein. Ich hab mich in letzter Sekunde gebremst. Aber ich fühle mich immer noch sauschlecht deshalb.«
»Warum? Ich meine, du bist doch in den Ferien.«
»Was! Wie kannst du das sagen?«
»Ach, komm schon, entspann dich. Amüsier dich zur Abwechslung mal!«
Ich konnte nicht fassen, was sie da sagte. »Ach so, dann bist du wohl gerade dabei, die französischen Jungs zu bewundern?«
»Natürlich nicht. Dafür ist mir Jack viel zu wichtig.«
»Und für mich ist Callum zu wichtig«, gab ich zurück.
»Aber ich habe Jack schon immer gekannt, wir waren auch davor schon Freunde, und das ist, also, das ist eine reale Angelegenheit.«
»Für mich gibt es da keinen Unterschied!«
Grace zögerte einen Moment. »Hör mal, Schatz, abgesehen von der Tatsache, dass du ihn kaum gekannt hast, ist er nicht mal richtig lebendig!«
Grace war der einzige Mensch, der von Callum wusste, und sie glaubte mir, weil sie Catherine gesehen hatte, als sie vor Wochen versucht hatte, uns beide in den Gärten von Kew umzubringen. Es war eine solche Erleichterung, sich mit jemandem ernsthaft über Callum unterhalten zu können, auch wenn ich es anders sah als sie.
»Das ist nicht gut, Grace. Ich liebe Callum, das weiß ich, trotz aller Probleme. Ich habe nur gerade so einen klitzekleinen Lustanfall. Das ist alles.«
Ich konnte Grace denken hören. »Hast du jemals daran gedacht, dass du auch mit Callum einen kleinen Lustanfall haben könntest? Ich meine, das ist doch ganz schön schnell gegangen.«
»Nein«, sagte ich ärgerlich. »Das ist absolut nicht dasselbe.«
»Komm wieder runter und hör mir zu. Callum erscheint aus dem Nichts, er ist umwerfend und er will dich, doch du kannst ihn nicht haben. Das ist das perfekte Rezept für unerfüllbare Sehnsucht. Du musst realistisch denken, mein Schatz.«
»Ich bin realistisch. Ich werde dafür sorgen, dass es funktioniert.«
Es blieb kurz still, und mir war klar, dass Grace mich für verrückt hielt. »Alex, wie willst du das denn hinkriegen? Es ist unmöglich.«
»Ist es nicht. Ich denke, da gibt es vielleicht eine Möglichkeit, ihn rüberzuholen. Das kann ich dir jetzt nur nicht erklären.«
Wieder entstand eine Pause, und ich konnte die Entfernung zwischen uns knistern hören. »Also«, sagte sie
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