Nur eine Liebe
gelegt war. Ihre Augen waren geschlossen, als gäbe es nichts anderes auf der Welt. Nur sie und das Baby.
Die meisten Leute schauten zwar nicht hin, doch sie machten eine Menge seltsamer Geräusche, die mir peinlich gewesen wären. Doch es schien niemanden zu stören.
Es dauerte nicht lange, ein letztes Pressen, und dann war das Baby da und schrie. Alle jubelten und riefen: »Willkommen zurück!«, während Micah das Baby Lidea reichte, die errötet und verschwitzt war, aber glücklich lächelte. Wend faltete eine kleine Decke auseinander und legte sie über beide.
»Er ist gesund!« Micahs Ruf ließ alle erneut in Jubel ausbrechen. Sie setzte ihm eine dunkelgrüne Kappe, die mit kleinen Fischadlern und Elchen bestickt war, auf den Kopf.
Sarit beugte sich zu mir vor und murmelte: »Es ist ein Dauerscherz, dass es nur fünf oder sechs Neugeborenenkappen gibt. Jeder reicht sie immer nur weiter.«
Ich kicherte. »Sie kommt mir verdächtig bekannt vor.«
Nach einigen Minuten verstummte der Jubel, und zwei Seelenkundler traten vor. Sarit und ich zogen uns zu Sam und Stef zurück.
»Das war unglaublich «, flüsterte ich, drückte mich mit dem Rücken an Sam und entspannte mich, als er die Arme um mich legte. »Und irgendwie eklig. Es muss wehgetan haben.«
»Sie wird dir sicher gerne davon erzählen, wenn du sie fragst.«
Ich wusste nicht, ob er einen Scherz machte oder nicht. Warum sollte irgendjemand über eine Entbindung reden wollen?
Vielleicht sollte ich stattdessen nachsehen, ob es in der Bibliothek ein Buch darüber gab.
Abgesehen von Lideas leisem Gurren, mit dem sie das Baby beruhigte, wurde es still im Raum, als Emil, einer der Seelenkundler, sich mit einem kleinen Gerät dem Bett näherte. Es war ein Seelenscanner von der Art, wie sie überall in der Stadt benutzt wurden, um den Zutritt zu Waffenkammern und anderen geheimen Orten zu beschränken.
»Babyseelenscanner?«, fragte ich.
Stef nickte. »Sie sind neu für die Seelenkundler, erst fünfzig Jahre alt oder so. Davor haben Seelenkundler Bluttests gemacht, die nicht so zuverlässig waren. Sie haben Chemikalien gemessen, von denen sie glaubten, sie würden von der Seele produziert werden.«
Ich erinnerte mich, dass Sam einmal erwähnt hatte, gewisse Tests seien nicht zuverlässig gewesen und die Leute seien beim falschen Namen genannt worden, bis sie alt genug gewesen waren, um sich darüber zu beschweren.
»Seelenscanner gibt es natürlich schon viel länger«, fuhr Stef fort, »aber sie funktionieren, indem sie die Vibrationen der Seele im Körper messen. Neugeborene haben meist sprunghafte und aufgeregte Seelen. Es war viel Arbeit, dieses Problem zu umgehen.«
»Oh.« Vielleicht hatten sie bei meiner Geburt gedacht, der Scanner sei kaputt, wenn die Technologie noch so neu war. Vielleicht hatten sie es drei- oder viermal mit verschiedenen Scannern versucht, nur um sicherzugehen.
»Halt seine Hand still«, sagte Emil. »In ein paar Minuten sollten wir Bescheid wissen.« Sie drückten die Hand des Babys auf den Scanner und steckten die Decke um es herum fester. Geboren zu werden musste ein schrecklicher Schock und auch kalt gewesen sein, aber der kleine Junge blieb still, eng an Lideas Brust geschmiegt.
Alle Blicke im Raum waren auf Emil gerichtet, voller Erwartung und Hoffnung, dass dieses Baby ihr bester Freund war, der in der Nacht des Tempeldunkels verloren gegangen war. Die Zahl der Möglichkeiten war überwältigend, aber noch schlimmer war, dass darunter eine unterschwellige Furcht lag: Blicke in meine Richtung, gemurmelte Gebete an Janan und Gegenstände, die sich die Menschen an die Brust drückten.
Es mussten Dinge gewesen sein, die demjenigen gehörten, von dem sie hofften, dass er zurückkehren würde. Ein Kästchen, ein Schlüssel, ein Seidenfächer.
Emil ließ das Gerät sinken und sah sich um, und sein Blick fiel kurz auf mich. Ich verkrampfte mich, als eine weitere Welle der Angst durch den stillen Raum lief. »Stimmt etwas nicht mit ihm?« Ich konnte kaum die Worte bilden, und Sam drückte mich wie zur Ermahnung.
»Wer ist er?«
Lideas Miene verzerrte sich vor Sorge. »Bitte, sag es mir einfach.«
Emil sah sie an, sein Tonfall ernst. »Er ist eine Neuseele.«
KAPITEL 8
Neuseele
Ich war nicht allein.
Ich war nicht die Einzige.
Ich wollte mich übergeben.
Alle Augen richteten sich auf mich, und sie blickten wütend und anklagend. Sam legte die Arme fester um mich, bereit, mich vor dem unausweichlichen Sturm zu
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