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Nur eine Liebe

Nur eine Liebe

Titel: Nur eine Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Meadows
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dann rieb ich mir mit den Händen über das Gesicht. Ich wünschte mir sehnlichst eine Dusche. Eine Woche richtigen Schlaf. Ohne Alpträume. »Wo sind meine Sachen? Mein Notizbuch?« Ich musste die Tempelbücher übersetzen.
    »In deinem Zimmer. Möchtest du nach oben gehen?«
    »Wenn ich aufgegessen habe.«
    Sam runzelte die Stirn, wartete jedoch, während ich meinen Toast aß und auf die Füße kam. Nach Tagen ohne Essen und dem Weinen fühlte ich mich wie eine Erinnerung meiner selbst. Es machte mich schwer und leicht zugleich, und ich schwankte auf schmerzenden Beinen. Waren sie dünner als vorher? Wenn ich mich auszog und in den Spiegel blickte, konnte ich dann meine Rippen zählen? Ich fühlte mich so hohl.
    Ich schaffte es nach oben, ohne zusammenzubrechen, ohne zu vergessen, dass ich nicht mehr aus Meurics Grube stieg. Sam folgte mir in mein Zimmer und blieb in der Nähe, während ich saubere Kleider heraussuchte. Er sagte nichts, als ich duschen ging.
    Heißes Wasser brannte Erinnerungsschichten weg. Der Mief schiefer und runder Räume, der ranzige Geruch von Meuric und seinem Auge und der Gestank von meinem eigenen Schweiß. Ich sah zu, wie sie im Abflusswirbel verschwanden.
    Wieder angezogen setzte ich mich neben Sam auf mein Bett. »Hast du heute im Salon geschlafen? Letzte Nacht?« Durch mein Fenster war ein tiefpurpurner Himmel zu sehen, mit blassen Sternen übersät. Abend.
    »Ich habe Angst vor dem, was geschieht, wenn ich dich nicht mehr anschaue.«
    »Wenn du Angst hattest, dass ich entführt worden bin, warum hast du dann allen erzählt, ich sei krank?«
    Zwischen seinen Augen bildete sich eine Denkerfalte. »Wir haben jeden überprüft, der jemals öffentlich gegen dich vorgegangen ist, Leute wie Merton, aber ich hatte Angst, dass die Menschen – ganz gleich, was tatsächlich passiert war – einen Weg finden würden, die Wahrheit zu verbiegen. Du wurdest entführt, weil alle dich hassen, oder du bist weggelaufen, um bei den Sylphen zu leben. Ich weiß es nicht. Ängstliche Menschen sind kreative Menschen. Ihnen wäre irgendetwas eingefallen. Wenn ich also einfach nur behauptete, du seiest krank, und niemand die Wahrheit kannte – dass du verschwunden warst –, konnte ich kontrollieren, was die Leute sagten.«
    »Sam.« Ich versuchte, mir nicht vorzustellen, welche Angst ich gehabt hätte, wenn ich an seiner Stelle gewesen wäre. Ich konnte ihm nicht verübeln, wie er mich jetzt ansah. »Sam«, flüsterte ich wieder, denn das Einzige, was ich sagen konnte, war sein Name.
    Er drückte seine Hand auf meine, die auf meinem Schoß lag. »Ich hatte noch nie eine solche Angst wie in der Nacht, als ich dich nicht finden konnte.« Er atmete lang und zittrig ein. »Ich war im Haus jeder Dunkelseele, in jedem Lagerhaus und Gebäude sowohl im landwirtschaftlichen Viertel als auch im Industrieviertel und in jedem Schrank im Rathaus. Ich glaube nicht, dass ich mehr als fünf Minuten am Stück geschlafen habe. Als wir uns das erste Mal begegnet sind, hast du mich nach dem Beängstigendsten gefragt, das ich mir vorstellen könne.«
    Der Tag war klar und kalt und voller Fragen gewesen. Ich hatte damals nicht einmal gewusst, wer er war, nur dass er Fremde aus starren, zugefrorenen Seen zog. Ich wünschte, er könnte mich jetzt aus meiner Schockstarre ziehen. »Ich erinnere mich«, flüsterte ich. »Du hast gesagt, nicht zu wissen, was geschehen würde, wenn man starb und nicht zurückkommen würde. Wohin würde man gehen? Was würde man tun?« Mir krampfte sich der Magen zusammen.
    »Als ich dich in jener Nacht nicht finden konnte, wurde mir klar, dass das nicht länger meine Antwort war.« Er zog meine Hand hoch und legte sie sich aufs Herz. Der Puls raste unter meinen Fingerspitzen. »Wenn du mich jetzt fragen würdest, würde ich sagen, das Beängstigendste, das ich mir vorstellen kann, ist, dich zu verlieren.«
    Ich wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte.
    »Ich wünschte, ich könnte dir all die Empfindungen sagen, die du in mir auslöst. Ich habe versucht, sie in Musik zu fassen, aber nicht einmal das war stark genug.«
    Ich wollte fragen, woher er es wusste, wie er den Unterschied zwischen Liebe und Vernarrtheit erkennen konnte. Aber ich konnte meinen Mund nicht dazu zwingen, die Worte zu bilden, weil er dann meine Finger einen nach dem anderen küsste, und mein Blick verengte sich auf all die Stellen, an denen wir einander berührten. Unsere Knie, seine Hände über meinem Handgelenk, seine

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