Nur in deinen Armen: Roman
Charmeur, doch tief in seinem Herzen war er ein Gentleman.
Er würde nicht zulassen, dass sie sich in Gefahr begab - und genauso würde er die Sache deuten. Für ihn wäre das der Kernpunkt der ganzen Sache, ganz gleich, wie sie fühlte.
Nachdem sie beinahe erdrosselt worden war, konnte sie ihm wohl kaum widersprechen. Sie müsste ihm morgen alles sagen. Sie würde ihm von dem Hut erzählen, und dann müsste sie ihm auch noch den Rest beichten.
Aber was war mit ihren Versprechen an Mary Anne, mit ihrem Eid, dass sie niemandem etwas von den Briefen verraten würde?
Welchen Preis hatte der Schwur, den sie einer Freundin gegeben hatte?
Sie hätte sich niemals vorstellen können, einmal in eine solche Situation zu geraten. Die Briefe zu finden hätte so einfach sein können. Selbst jetzt noch könnte sie die obere Etage des Herrenhauses durchsuchen. Sie hatte überlegt, in einer Nacht hinzugehen, wenn alle Diener im Bett lagen. Sie wusste, welchen Raum sie nicht betreten durfte, doch alle anderen Zimmer … in einem davon musste der Reiseschreibtisch von Mary Annes Großmutter doch sein. Sie bezweifelte, dass man ihn auf dem Dachboden untergestellt hatte. Nein, er würde irgendwo auf einer Kommode stehen, zierlich und elegant aussehen und nur darauf warten, dass jemand die Briefe fand...
Sie hob den Kopf und sah sich in ihrem Zimmer um. Der Mond schien hell, ganz deutlich konnte sie ihre Kommode erkennen, sogar die Schnitzereien am Rand des Spiegels konnte sie sehen.
Sie stützte sich auf die Ellbogen.
Ehe der Morgen dämmerte und Lucifer kam, hatte sie mindestens noch vier Stunden, in denen tiefe Nacht herrschte. Zeit genug, um die erste Etage des Herrenhauses zu durchsuchen, die Briefe zu finden und dann nach Hause zurückzukehren. Das Fenster im Esszimmer des Herrenhauses hatte noch immer einen lockeren Riegel.
Sie warf die Decke beiseite. Wenn sie den Schreibtisch heute Nacht nicht fand, dann würde sie morgen alles Lucifer erzählen und ihn um seine Hilfe bei der Suche nach dem Schreibtisch bitten. Trotz der Angst von Mary Anne und Robert war sie sicher, dass er sich nicht die Mühe machen würde, diese Briefe überhaupt zu lesen, der Inhalt würde ihn nicht zu mehr als einer hochgezogenen Augenbraue veranlassen, sie konnte sich nicht vorstellen, dass er die Briefe Mr Crabbs geben würde.
Aber wegen Mary Anne und der Ehre ihres Versprechens würde sie einen letzten Versuch wagen, die Briefe zu finden.
Sie schlüpfte in ihre Kleider, dann warf sie einen Blick zu den wehenden Schatten im Wald. Dort wäre sie in Sicherheit. Niemand, nicht einmal der Mörder, könnte sich vorstellen, dass sie heute Nacht dort draußen war.
Das versuchte sie sich immer noch einzureden, als sie den Rand des Waldes erreichte und einen Blick auf das Herrenhaus warf. Sie war um das Haus herumgegangen, über die Wiese, und stand jetzt vor dem Esszimmer. Um das Eckfenster zu erreichen, musste sie den Kiesweg überqueren.
Sie riss sich zusammen, dann ging sie langsam los, vorsichtig stellte sie jeden Fuß auf den Boden, ehe sie das Gewicht darauf verlagerte. Glücklicherweise hatten der Schlaf am Nachmittag und ihr schneller Gang durch den Wald sie vollkommen aufmerksam gemacht. Sie erreichte die Blumenbeete vor dem Fenster des Esszimmers, ohne viel Lärm gemacht zu haben.
Der Riegel war noch immer locker, sie brauchte nur ein wenig zu drücken, und das Fenster öffnete sich. Sie zog sich auf den Fenstersims, dann schwang sie die Beine in das Zimmer.
Leise glitt sie auf den Boden, dann schloss sie das Fenster hinter sich und lauschte. Das Haus schlief - sie fühlte die Stille wie einen schweren Umhang, der sie umgab. Schatten lagen über den Möbeln, die das Licht des Mondes noch tiefer machte, das durch die Fenster ohne Gardinen drang. Wie in allen anderen Räumen in der unteren Etage standen auch hier Bücherregale. Als sich ihre Augen erst an das schwache Licht gewöhnt hatten und sie die Titel der Bücher lesen konnte, schlich sie leise um den Tisch.
Die Tür zum Flur stand weit offen, dahinter lag alles im Schatten. Sie blieb an der Schwelle stehen und nahm all ihren Mut zusammen.
Eine Bewegung. Gleich am Fuß der Treppe. Sie erstarrte.
Wenige Zentimeter über dem Boden schwebte ein körperloser Federbusch durch den Schatten, dann hob die Katze den Kopf, ihre Augen glühten.
Phyllida sank erleichtert in sich zusammen. Es musste ein gutes Zeichen sein. Die Katze würde einen bösen Eindringling spüren. Wahrscheinlich war
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