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Nur Mut, liebe Ruth

Nur Mut, liebe Ruth

Titel: Nur Mut, liebe Ruth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Louise Fischer
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Ruthchen?“
    „Aus einigen tausend Gründen“,
erklärte Ruth, „die alte Frisur war viel zu kompliziert und sah nach Friseur
aus...“
    „Aber ich sage doch gerade, wir
können eine andere probieren! Vielleicht so... und so...“ Sie wand Ruth das
Haar um den Kopf.
    „Nein, ich will genau die, die
ich mir selber gemacht habe! Das ist eine richtige Schulfrisur, und dann
brauche ich keine Angst mehr zu haben, daß sich alles auflöst, wenn sie naß
wird. Die kann ich mir nach dem Schwimmen selber richten. Du brauchst mir nur
einen geraden Scheitel zu ziehen.“
    Frau Kleiber seufzte, griff zum
Kamm und tat, um was ihre Tochter sie gebeten hatte. „Was wird bloß Vater dazu
sagen!“
    „Darüber brauchst du dir
bestimmt nicht den Kopf zu zerbrechen, Mutti, das werden wir ja gleich hören.“
    Herr Kleiber sagte erst mal gar
nichts, als Mutter und Tochter zum Frühstückstisch kamen. Er blickte nur kurz
auf, erwiderte Ruths Gruß und verschanzte sich wieder hinter seiner Zeitung.
    Dafür reagierte Günther, ihr
großer Bruder, um so heftiger. „Nun sag aber mal, Ruth, wie siehst du denn
aus?“
    „Wie ein ganz normales junges
Mädchen!“
    „Daß ich nicht lache! Wie ein
frisch gewaschener Kinderpopo, finde ich!“
    „Günther, ich bitte dich“,
sagte die Mutter, „das ist nun aber wirklich kein Vergleich!“
    „Wenn sie doch so aussieht!“
    Ruth waren die Tränen in die
Augen gestiegen, aber sie wollte sich auf keinen Fall anmerken lassen, wie sehr
sie sich getroffen fühlte. „Dann habe ich früher wohl ausgesehen wie ein
Kinderpopo garniert mit Löckchen und Bändern! Danke für die gute Meinung. Es
ist für mich sehr interessant zu wissen, wie ich dir vorkomme.“ Herr Kleiber
ließ die Zeitung sinken. „Jetzt sagt einmal, was sind denn das für Gespräche
und was ist das für ein Ton am frühen Morgen?“
    „Günther sagt, ich habe ein
Gesicht wie ein Kinderpopo!“
    „Das habe ich nicht gesagt! Ich
habe nur gesagt, mit dieser Frisur sieht sie aus wie ein...“
    „Ja, sprich’s nur aus! Tu dir
keinen Zwang an! Wie ein Kinderpopo hast du gesagt!“
    Herr Kleiber schüttelte den
Kopf. „Mein lieber Junge, ich muß mich schon sehr über dich wundern. Wenn Ruths
Frisur auch nicht gerade glücklich ist...“
    „Sie ist praktisch, einfach und
nett!“ fiel ihm Ruth ins Wort. Herr Kleiber sah Ruth an. „Na ja, für ein
gewöhnliches kleines Mädchen mag sie ja angehen. Aber vergiß nicht, daß du die
Tochter eines Friseurmeisters bist.“
    „Das vergesse ich schon nicht“,
rief Ruth hitzig, „aber in erster Linie bin ich doch ich selber!“ Als sie
merkte, daß sie den Vater gekränkt hatte, fügte sie hastig hinzu: „Du bist ja
für mich auch nicht der Friseurmeister Kleiber, sondern mein Vater... mein
guter, lieber Vater!“

    Herr Kleiber räusperte sich.
Wie immer, wenn Ruth ihm schmeichelte, wurde er weich wie Butter in der Sonne.
„Jedenfalls“, sagte er, „finde ich Ruths Frisur nicht wichtig genug, um daraus
ein Familiendrama zu machen.“
    „Das ist genau das, was ich
sage“, rief Ruth, „laßt mich in Ruhe. Mehr will ich ja gar nicht.“
    Damit war das Thema fürs erste
erledigt, und sie konnte sich aufatmend ihrem Frühstück widmen. Allerdings
brachte sie kaum einen Bissen hinunter, denn sie war noch viel zu aufgeregt. Es
war gar nicht so einfach, sich durchzusetzen, wenn man es nicht gewohnt war.
    „Du ißt ja wie ein Spatz“,
rügte die Mutter.
    „Mir scheint, mein
Schwesterchen hat sich verliebt“, hänselte Günther.
    Ruth blitzte ihn an. „Schließ
bloß nicht von dir auf andere, Brüderchen! Meinst du, ich habe nicht
beobachtet, daß du und...“
    Noch ehe sie weitersprechen
konnte, war Günther schon aufgesprungen und hielt ihr den Mund zu.
    „Benimm dich, Junge“, rief die
Mutter, „laß Ruth sofort los! Was hast du beobachtet, Ruthchen?“
    Ruth drehte sich zu Günther um,
der ganz blaß geworden war, zwinkerte ihm zu und formte lautlos mit den Lippen
das Wort: „Karla!“ dann sagte sie allgemein verständlich: „Oh, nichts, Mutti,
gar nichts, ich wollte Günther bloß ärgern.“
    „Das war aber nicht nett von
dir, Ruthchen!“
    Jetzt war es Günther, der ihre
Partei ergriff. „Das hat sie bestimmt nicht so gemeint“, sagte er und zupfte
Ruth an einem ihrer Rattenschwänzchen, „und außerdem hatte ich ja angefangen.“
    „Dann ist es gut“, sagte Frau
Kleiber, „ach, Kinder, ich bin ja immer so froh, wenn ihr euch vertragt.“
    Ruth und Günther

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